Euroblast 2017
Djent regiert die Welt
Konzertbericht
Bericht und Fotos von Sophia Kostudis, Anton Kostudis (AKOS Livemomente) und Alex Klug (2 Rights Make 1 Wrong).
Freitag, 29. September 2017
Klar, wenn sich im Herbst des Jahres in der Kölner Essigfabrik ein paar Tausend Musikfreunde zum munteren Takteknobeln zusammenfinden, ist die metal.de-Belegschaft natürlich nicht weit. Die vermeintlich bedrohliche Kalenderkonstellation – die 13. Ausgabe des Euroblast-Festivals startetet an einem Freitag – brachte aber letztlich kein Unheil mit sich. Wobei, Kollege Kostudis nahm auf der Anreise – wie immer – jeden erdenklichen Stau zwischen München und Köln erfolgreich mit, und schlug erst zu später Stunde und nervlich etwas angeschlagen auf dem Gelände auf. Aber gut – das überrascht ja mittlerweile auch so richtig keinen mehr. Da auch Kollege Klug noch aus dem Urlaub zurückjetten musste, war es somit Kollegin Kostudis vorbehalten, beim Auftaktprogramm die Fahne des Magazins hochzuhalten.
Solider Einstand mit Andy James.
Und so gibt es zunächst Saitenheld ANDY JAMES als Auftakt des diesjährigen Euroblasts zu erleben. Zur Mittagsstunde ist die Halle zu noch nicht einmal einem Viertel gefüllt. Dennoch ist zwischen den interessierten Zuhörern mit anerkennend nickenden Köpfen bereits jene entspannte, kundige wie familiäre Atmosphäre spürbar, die einen großen Teil der Vorfreude auf das Festival ausmacht. Mit zwei Mitstreitern, die für ein oft eingängiges melodisches Rückgrat sorgen, lässt ANDY JAMES agil die Finger flitzen. Dieser nahezu perfekte Einstieg verkommt aber nicht zur reinen Technikprotzerei, sondern drückt immer wieder das emotionale Knöpfchen. Naheliegend und geschenkt, dass der Bass dabei etwas zu kurz kommt und der Kollege am Schlagzeug einen etwas unterforderten Eindruck macht.
Die genüsslichen fünf Minuten Wegzeit durch die mit aller Kraft strahlende Herbstsonne kostet die Kollegin gerne aus, um zu HIEROGLYPH in den Keller zu bummeln. Dort ist die Luft noch erstaunlich gut und die Damen und Herren aus dem Vereinigten Königreich verweilen noch beim Soundcheck. Später drückt es, abgesehen von ein paar Reglerschwierigkeiten beim Gesang, zwar ganz ordentlich. Zumindest während die Doppelspitze Mark Howes und Valentina Reptile gemeinsame Sache machen. Sobald der Shouter verstummt, sägt die Damenstimme doch ziemlich. Insgesamt ist die sehr melodiöse Djent-Core-Mixtur aber nur eingeschränkt packend. Daher kehrt die Kollegin alsbald ans Tageslicht zurück, wo sich allgemeines Festivaltreiben mit geschäftigem Fritteusengeklappere mischt.
Lo! als potentielles Tageshighlight.
Schlag 15 Uhr starten die Australier LO! ihre Europatour auf der Hauptbühne. Angesichts des nach wie vor spärlichen und eher zurückhaltenden Publikums wirkt die exaltierte Performance ihres Sängers Sam Dillon etwas drüber. Aber gut ist die Musik allemal! Das fiese Sludge-Core-Gedonner lässt auch die Nackenmuskeln in die Aufwärmphase treten. Mit dem frühen Tageshighlight-Favoriten im Ohr braucht es eine erste kleine Verarbeitungspause. Daher verpasst die Kollegin auch, wie es CONTROVERSIAL im Keller genau angestellt haben, dass sich essentielle Technikteile in Rauch auflösen. Wenigstens überlagert frischer Kabelbrandgeruch das schon gut miefige Ambiente dort. Nachdem sich alle Sicherungen wieder an Ort und Stelle befinden, und die gleich der Kollegin aus Sachsen angereiste Combo weitertönt, wird klar: Angesichts der brutalen Darbietung musste unweigerlich etwas zu Schaden kommen. Mit Groove gespickter Death Metal rüttelt zwar nicht sehr differenziert, aber wuchtig am Fundament der Essigfabrik. Stark!
Ein komplett anderes Bild ergibt sich danach in der oberen Etage. VOYAGER werden von der langsam zunehmenden Hörerschaft gefeiert. Die instrumentale Grundlage, technisch versierter Prog Metal, ist zwar solide und ab und an deftig, aber poppige Vocals und Gebaren treffen nun so gar nicht den Nerv der Kollegin. Als VOYAGER dann noch die Beats eines vermutlich sehr bekannten Trance-Titels als Intro verwenden, ist das das Signal zum Aufbruch.
Angeschlagen von dieser Darbietung können auch ISAAC VACUUM die Kollegin nicht überzeugen. Oder ihr ist gerade nicht nach Prog Rock, obwohl die Krefeld-Essener ihre Sache gut machen. Also wird die Zeit genutzt, um sich auf den Gitarren-Battle-Flitzfinger-Metal von ANGEL VIVALDI vorzubereiten. Mustergültig, was da proggy von der Bühne plautzt. Leider verhallen nach einem etwas merkwürdigen, weil unfertig wirkenden Konzertende die Zugabewünsche ungehört.
Uneven Structure reißen so einiges ein.
Postig und spacig wird’s mit GALAXY SPACE MAN im Keller. Die vier Hamburger sorgen damit zwar für angenehme Abwechslung, allerdings offenbart der sehr vordergründig regulierte Gesang mangelnde Tontreffsicherheit. Prinzipiell nicht schlecht, aber auf Dauer ist das heute leider nix. Die freiwerdende Zeit vertreibt sich die Kollegin beim Soundcheck von UNEVEN STRUCTURE. Und schon der kann sich hören lassen. Die Franzosen verfrickeln sich zur Halbzeit zwar etwas, reißen aber vor allem in den letzten langen Minuten auch einiges ein. Gerade in den schweren Passagen kommt der beliebte Euroblast-Sound zur Geltung. Feine Sache!
Ein weiterer Act aus der Heimat findet sich mit THE SLEEPER im Keller ein. Dort ist die Luft mittlerweile nicht nur überaus abgestanden, sondern auch mit Feuchtigkeit gesättigt. Beste physikalische Voraussetzungen also, um harte progressive Core-Attacken unters Volk zu ballern. Das machen die Leipziger ordentlich und vertreiben flugs die Zeit zum Eintreffen der Kollegen, die den Kampf mit der Anreise endlich für sich entscheiden konnten.
Der Hausact kehrt zurück.
THE ALGORITHM sind ja mittlerweile so etwa wie der Hausact des Festivals. Und Rémi Gallego, französischer Mastermind des Projekts und mittlerweile in Berlin ansässig, darf somit auch in diesem Jahr zur Primetime aufspielen. Dabei liefert das Duo – neben Gallego bearbeitet Jean Ferry mit großem Körpereinsatz sein Drumkit – diesmal aber einen etwas blasseren Gig als noch in den Vorjahren. Das ist nach Meinung des Kollegen Kostudis nicht zuletzt den Rahmenbedingungen geschuldet: Die meisten Besucher feiern das flirrende Djent-Elektro-Gehämmer des Gespanns zwar angemessen ab, trotz einiger Stagediver scheint die Menge aber insgesamt noch nicht so richtig auf Touren gekommen zu sein. Zudem fahren die Herren hinter dem Mischpult die – ja durchaus stattliche – Anlage in der Essigfabrik noch nicht voll aus. In den hinteren Zuschauerreihen lässt es sich so noch ohne größere Anstrengung plauschen. Ins Bild passt irgendwie, dass in der Mitte des Sets auch noch Gallegos Laptop den Geist aufgibt. In der Folge muss also Ferry eine minutenlange Kostprobe seines Könnens an den Kesseln liefern. Kurzum: Heute läuft es nicht ganz so für die Festival-Überflieger der vergangenen Jahre.
Also entschließen sich die Kollegen, mal im Keller vorbeizuschauen, wo THEIR DOGS WERE ASTRONAUTS auf der Bühne Stellung bezogen haben. Das blutjunge Duo aus Österreich – mit dicken Siebensaitern behangen – serviert moderne, djentige Kost mit viel Sample-Spielerei, die bei den Herren von der Fachpresse allerdings nicht so ganz zünden will. Das fällt aber nicht ins Gewicht, weil zahlreiche Besucher sich vor der kleinen Bühne drängen und die Darbietung mit kräftigem Applaus honorieren. Dennoch: Trotz Stereo-Spielereien und programmiertem Banjo-Zucken haut es heute nicht alle Kollegen aus den Latschen.
Farewell to Textures.
Also wieder zurück – und nach einer kleinen Stärkung vor die Hauptbühne. Zum Headliner des heutigen Tages, den Niederländern TEXTURES, haben sich bereits viele Menschen in der Halle eingefunden. Und die Truppe um Fronter Daniel de Jongh legt auch gleich amtlich los und feuert ihre vertrackt-melodische Kost in die Menge. Allerdings gilt auch hier: Trotz etwas besseren Sounds und einer ausgesprochen starken Leistung de Jonghs will auch hier der Funke nicht so recht überspringen. Es scheint ein wenig so, als habe sich das gesamte Festival am Abend eine kleine Verschnaufpause verordnet, um Kräfte für die kommenden beiden Tage zu sparen. Natürlich erntet auch der Hauptact des Abends tosenden Applaus, zumal die Niederländer nach einer Europatour im November die Gitarren erst einmal an den Nagel hängen werden. Die ganz große Magie eines Abschiedskonzerts ist heute allerdings noch nicht zu spüren, findet zumindest Kollege Kostudis, der sich alsbald mit der Belegschaft auf den Weg zur Unterkunft macht, wo noch ein Kölsch genossen wird (entgegen anders lautender Berichte ist das abhängig vom Produktnamen tatsächlich möglich) – und die Kollegschaft schließlich in froher Erwartung des zweiten Tages einschlummert.
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