Mournful - Light Harvesting Complex

Review

Menschenbevölkerte Ödnis, aller Farben beraubt, inmitten einer betongrauen deutschen Malocher-Metropole, verregnete Ruhrpott-Wirklichkeit ohne den entscheidenen Impuls zum Ausbruch, anonyme Graue mit Uhren im stummen Gesicht, die nur sieben Stunden anzeigen können. Vor einem bleiernen Ziegel-Gemäuer, das den Blick auf die rauchenden Kirchtürme der Industrie nur unwillig freigibt, stehen vier junge, gutgekleidete Kinder dieser Tristesse, den trüben, aber bewussten Blick auf die ferne Welt jenseits ihres Gitterfensters gelenkt. Nicht auszubrechen, einfach wahrgenommen zu werden. Emotionen werden formuliert, in Worte, in Melodien und Harmonien, so grau und doch so melancholisch wie die Herzen, denen sie entstammen. Aus diesem Bunker schallt kaum eine Revolution, weite, mutverlassene, selten gar verzweifelte Verzerrung prägt die Melodie. Was die Welt draussen als EmoCore feiert, ist hier authentische Ödnis eines ganzjährigen Novembers, eine artikulierte Polaroid einer lastenden Alltagssilhouette. Dem Passanten fällt das Stehenbleiben schwer, er erwartet Unterhaltung, Ausbrechen, Kunst. Er sieht Langeweile, Monotonie, Realität. Wenig Raum für Landschaften und Mystik; fern aller Illusionen ist die einzige Natur die der Gefühle, die bittere Asphalt-Poesie ist gegenwärtig und zeitlos, leicht verständlich und schwer zugänglich, simpel erzählt und doch tief verwurzelt. Die Harmonie ist so vertraut, die ans Ohr dringende fragile Stimme der eigenen Verlorenheit so ähnlich. Wo Tage in Nummern gelebt werden und die schweren Trommeln die Gewohnheit takten, wo die Zeitlupe jeden Regenfaden erfasst und das sensible Ohr unter der Last der vorüberdonnernden Kies-LKW erzittert, wehen die rauhen Klagen, die einer zustandsergebenen Arroganz gegen über den Verständnislosen nicht völlig entbehren, mit den nassen Böen über die Gehwege. Erst jetzt fühlt der Passant, dass die wahrgenommenen Harmonien den geöffneten Händen der vier jungen, gutgekleideten Figuren entgleiten, deren Augen aus den Noten Traurigkeit formt.

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16.11.2002

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1 Kommentar zu Mournful - Light Harvesting Complex

  1. Anonymous sagt:

    Schon Klein-Hinnerk berauschte sich an seinem Wortvorrat und Kreativitätsüberhang, drehte Löckchen auf Glatzen und ließ Wörter in pompösen Polonaisen paradieren. Beim Aufsatzschreiben nutze er die zur Verfügung stehende Zeit immer zur Gänze aus, und nicht selten las ich aus seinem Gezierten, Geblähten und Gequälten den Wunsch, mit affektierter Sprache (die bereits Schopenhauer mit dem Gesichterschneiden verglich) zu imponieren. Aus seinen Maschen und Mätzchen wurden nach und nach Meisen, Marotten und Manien, die mich mehr und mehr an die Maniriertheit der "Spiegel"-Schreibe erinnerte, und es geschah des Öfteren, dass ich nach dem Korrigieren von Hinnerks Aufsätzen zu meiner Frau sagte: "Der kleine Hinnerk hat das Zeug zum großen "Spiegel"-Journalisten!". Es schmerzt mich deshalb ein wenig, dass aus Hinnerks rosiger "Spiegel"-Zukunft nichts wurde, doch es freut mich zu sehen, dass seine schreiberischen Werke noch immer den gleichen engagierten Wackersinn entraten und mehr denn je zu Schwulst- und Pathos-überladener stilistischer Equilibristik neigen. Ach, was hätte aus Hinnerk werden können *seufz*.

    8/10