Pain Of Salvation
Interview mit Daniel Gildenlöw zu "In The Passing Light Of Day"

Interview

Nicht nur markiert „In The Passing Light Of Day“ das erste Full-Length-Album von PAIN OF SALVATION seit dem 2011 erschienenen „Road Salt Two„, es ist darüber hinaus eines, das das vielleicht nie entstanden wäre, hätte Daniel Gildenlöw seine schwere Krankheit im Jahre 2014 nicht überlebt. Seine Gedanken in dieser Zeit, die sich um die eigene Sterblichkeit und die Vergänglichkeit des Lebens drehen, wurden zum Dreh- und Angelpunkt eines zermürbend ehrlichen Albums. Wir sprachen mit Gildenlöw über die Entstehung und die Hintergründe des Albums.

Pain Of Salvation

Pain Of Salvation – In The Passing Light Of Day

Daniel Gildenlöw von PAIN OF SALVATION äußerte sich…

… über die Zeit zwischen „Road Salt Two“ und „In The Passing Light Of Day“

Ja, „Road Salt Two“ wird von vielen als das letzte, richtige Projekt von PAIN OF SALVATION angesehen, aber es gab wirklich viele Arbeiten zwischen diesem und dem neuen Album. Das letzte große Projekt war definitiv unsere EP „Falling Home„. Es kommt mir zumindest vor, als könnte diese EP genauso gut das letzte Album sein. Dazu kam ja bekanntermaßen mein Aufenthalt im Krankenhaus, der uns noch einmal ein Jahr gekostet hat. Das war ein Umstand, der sich letztendlich positiv auf den kreativen Prozess ausgewirkt hat.

… über die Frage, ob PAIN OF SALVATION jetzt Prog sind oder nicht

Ich persönlich habe so meine Probleme mit der Prog-Etikettierung. Aber ich habe mich im Laufe der Zeit damit abgefunden, zumal die Hörer ja dazu neigen, immer alles in Schubladen stecken zu müssen. (lacht) Wie so viele Genres ist auch der Prog aus einer Frustration heraus entstanden. Die Bands der ersten Stunde verspürten den Drang, etwas Neues zu kreieren, die vorhandene Musik neu zu erfinden. Das lässt sich wirklich auf jedes Genre übertragen und ist nicht Prog-exklusiv. Nimm die BEATLES, die ebenfalls von ihren Blaupausen abwichen. Wie sonst erklärst du dir ein Album wie „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“? (lacht) Das Problem sind in meinen Augen die ganzen Nachahmer, die den jeweiligen Stil einfach kopieren, weil sie ihn mögen, aber nicht an dessen Entwicklung mitgewirkt haben. Die lösen erst diese Frustration aus, sodass der Kreis sich letztendlich schließt, oder besser: schließen muss.

PAIN OF SALVATION ist für mich das rastlose Verlangen nach der Kreation neuer Musik. „Road Salt One“ etwa fühlte sich an, als wollten wir das Jahr 1976 auf Steroiden wiedergeben. Ich bin von der zeitgenössischen Musik einfach so furchtbar angeödet. Wir leben im dunklen Zeitalter, was musikalische Kreativität angeht. Und die „Road Salt“-Alben sind aus dieser Frustration heraus entstanden. Wir wollten zurück zu den Basics, uns dabei genügend Freiraum lassen und einfach einen Antidot für das kreative Ödland moderner Musik schaffen. Ob das jetzt progressiv ist oder nicht, darüber mache ich mir keine Gedanken. Es ist schlicht und ergreifend PAIN OF SALVATION. Ich würde unsere Musik vielleicht eher als Rock bezeichnen. Und wenn unbedingt Prog, dann würde ich den Begriff Alternative Prog Metal bevorzugen.

… über die Krankheit und wie sie sich auf seine Lebensweise und den kreativen Prozess auswirkte

Naja, ich bin wirklich dankbar dafür, dass ich so viel Gutes von dieser Erfahrung mitnehmen kann. Das klingt sicher seltsam, zumal es lange gedauert hat, bis ich wieder zu Kräften gekommen bin. Es war schon sehr schwer für meine Familie. Man hat ja jeden Tag, wenn man aufwacht, eine mentale To-Do-Liste von Obligationen, denen man nachzukommen versucht. Beziehungen zu anderen Menschen, die Arbeit, Probleme und Erwartungen – es ist eine gewaltige, verwirrende Liste, die eine seltsame Form des Stresses auslöst. Im Krankenhaus aber wurde diese Liste plötzlich richtig klein und beschränkte sich hauptsächlich darauf, zu überleben. Ich habe meine Familie immerzu daheim besucht und es war wunderbar, aber auch anstrengend, sodass ich am Ende des Tages geschlaucht war. Es ist aber nicht so, als würde ich den Wert dieser Dinge lernen müssen. Ich kenne den Wert, aber die Krankheit hat mich quasi wieder an dieses Wissen erinnert. Aber seitdem ich wieder fit bin, komme ich jeden Tag zu dieser Liste zurück, wenn mir der Stress mal wieder über den Kopf wächst.

Darüber hinaus habe ich mir natürlich auch Gedanken über PAIN OF SALVATION gemacht. Die Band schien im Vorfeld des Dramas auseinander zu fallen. Der Song „Full Throttle Tribe“ nimmt ja Bezug darauf. Es war so, als ob meine Familie auseinander brechen würde und fühlte sich niederschmetternd an. Es heizte aber eben auch den kreativen Prozess an. Man liegt da, nicht wissend, wie es weiter geht und die Gedanken rauschen einem nur so durch den Kopf. Und ich beschloss, diese eben umzusetzen.

… über den Sound des Albums

Der rohe, emotionale Sound kommt natürlich auch daher, dass die Songs aus einer Situation heraus entstanden sind, in der ich mich nie gesehen hätte. Tatsächlich war wiederum „Full Throttle Tribe“ der Song, bei dem ich den neuen Sound entwickelt habe. Ich habe herumexperimentiert und schließlich gesagt: „So soll das Album klingen“. Der Ansatz gefiel mir sehr und ich bin froh, dass Daniel Bergstrand das am Ende so gut hinbekommen hat. Es hat einfach hinten und vorne gepasst, die Zusammenarbeit war wunderbar.

… über „On A Tuesday“

Ich denke, dass wir Menschen mit dem Intellekt verflucht sind. Im Hinblick auf den Song heißt das, dass wir wissen, dass unser Leben irgend wann einmal aufhört, dass es irgendwo und irgendwann zu einem bestimmten Zeitpunkt und an einem bestimmten Ort zu Ende geht. Der Beginn ist die Geburt, das Ende ist der Tod. Darüber hinaus gibt es nichts. Wie es das Schicksal so will, lag ich im gleichen Krankenhaus, in dem ich auch geboren worden bin. Ich hatte die Idee z diesem Song an einem Montag und stellte zufällig fest, dass ich an einem Dienstag geboren worden bin. Daher kommt auch die Zeile „It will be my Tuesday number 2.119“ zustande. Der Gedanke, dass sich der Kreis auf derart ironischer Weise schließen könnte, dass ich nach all dem, was ich erlebt habe und wo ich überall gewesen bin, hier an der Stätte meiner Geburt sterben könnte, hat mich dazu inspiriert, den Song so zu schreiben. Daher auch die Zeile „As if to smile and say ‚I fest on irony my friend…'“, gesprochen vom Leben selbst.

… über „Full Throttle Tribe“

Ich habe mich eigentlich schon immer wie ein Außenseiter gefühlt. Die Schule etwa ist sehr geschlechtsspezifisch, was die Interessenlage der Schüler angeht. Während die meisten Jungs sich sportlichen Tätigkeiten frönen, sind die Mädchen meist in musischeren Terrains unterwegs. Aber ich habe mich zu keiner dieser beiden Rollen zugehörig gefühlt. Das ist mit ein Grund, warum ich diese Band gegründet habe, eben weil ich mir meine eigene Zugehörigkeit, meinen eigenen Stamm [„Tribe“, Anm. d. Red.] schaffen wollte. Dann gab es da diesen einen Gig, bei dem einige Bandmitglieder ihren Austritt verkündeten, und für mich brach da einfach eine Welt zusammen.

Um diesen Schmerz einfach zu überwinden, habe ich heiß geduscht, was sich in den folgenden Zeilen widerspiegelt:

„I turn the shower tap
turn it all the way up
to burn this hole away
I lost a dream today
lost thirty years today“

Das hilft mir eigentlich immer. Ich muss dazu sagen, dass ich an etwas leide, was im Volksmund als Musiker-Syndrom bezeichnet wird. Es ist einfach eine der vielen Macken, die ich habe. (lacht)

… über „Angels Of Broken Things“

Der Song ist mit noch der autobiografischste des Albums, da er sich auf ein besonderes Ereignis, nämlich den Tag der Operation, bezieht. Ich hatte dabei meinen jüngsten Sohn in Gedanken, der ebenfalls lange Zeit im Krankenhaus um sein Leben kämpfte, während wir im Gang standen und zusehen mussten, wie sie ihn operieren. Im Text heißt es ja:

„I have been here before
Then I was in that door“.

Ich habe also praktisch den Platz getauscht, nun war ich es, der auf dem Tisch gelegen hat. Dabei habe ich auch das Gefühl, anästhesiert zu werden, mit einfließen lassen. Es ist ein wahrhaft seltsames Gefühl. Plötzlich scheint die Welt mit all ihren Problemen so fern. Wenn man dazu unter Schlafmangel leidet wie ich, dann sind das die besten zwei Sekunden seines Lebens. (lacht)

… darüber, ob das Album etwas mit den fünf Phasen des Sterbens nach Kübler-Ross zu tun hat

Eigentlich nicht, aber es ist interessant, dass du das erwähnst. Ich habe darüber eigentlich nicht so sehr nachgedacht, aber jetzt wo du das sagst, könnte da schon was dran sein. Ich werde mich in den nächsten Tagen mal damit auseinandersetzen.

13.01.2017

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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