Seven Impale - Contrapasso

Review

„Contrapasso“ haben SEVEN IMPALE ihr zweites Album getauft. Dieser Begriff stammt aus Dante Allighieris „Divina Commedia“ und meint die Folter eines Sünders durch eine der Sünde entgegengesetzten Strafe. Die Grundrezeptur ihres Sounds ist gleich geblieben, es regiert der progressive Rock mit Orgel und Saxofon, der gerne auch mal richtig schräg klingt und ebenso gerne in jazzige Gefilde vordringt. Das zur Pflicht, nun zur Kür, denn „Contrapasso“ hebt sich dann doch deutlich von „City Of The Sun„, dem vorangegangenen Debüt der Band, ab, sowohl in Sachen Sound als auch Qualität.

SEVEN IMPALE lassen es gewaltig krachen

Denn im Gegensatz zum Vorgänger klingt „Contrapasso“ weniger filligran, wirkt weniger konstruiert. Dafür ist die neue Platte deutlich rockiger, direkter, heavier und explosiver ausgefallen – mehr in your face, um es mal auf Neudeutsch auszudrücken. Das Album wirkt wie ein Pulverfass, das dem Hörer zu jeder gegebenen Stunde, Minute, Sekunde um die Ohren fliegen kann. Denn gerade um die Halbzeitmarke des Albums herum lassen es SEVEN IMPALE schon mal gehörig krachen. „Languor“ endet so etwa mit richtig dreckigen, lärmenden Gitarren, während „Convulsion“ mit hektischen, jazzigen Eruptionen beginnt und sich dann fast schon in avantgardistischen Krach hinein steigert, ganz ähnlich wie das bei im Mittelteil von „Windshears“ vom Voralbum der Fall war, nur etwas enthemmter. Dazu vermittelt hier der aggresive Gesang von Stian Økland eher den Eindruck eines Sludge- denn eines Prog-Songs.

Überhaupt: Der Gesang von Økland ist deutlich präsenter, variabler und einfach besser geworden. Seine Stimmfarbe erinnert immer noch an einen farbloseren Chris Cornell. Seine Darbietung dagegen ist deutlich facettenreicher und theatralischer geworden. Von der Zurückhaltung, mit der er auf „City Of The Sun“ agierte, ist kaum mehr was zu spüren. Denn gerade die Theatralik, mit er in der zweiten Hälfte von „Lemma“ agiert, ist fast schon over the top. Mitten in „Convulsion“ gibt er noch seine Jonathan-Davis-Impression zum besten.

Der Prog kommt nicht zu kurz

Wer jetzt aber den Eindruck gewonnen hat, dass die Norweger nur auf den Putz hauen, sollte sich einfach mal vor Ohren führen, was allein im eben angesprochenen Opener „Lemma“ abgeht. Ein simples Riff mit Orgelbegleitung gaukelt einen geradlinigen Rocker vor, hinkt aber zum Ende des eröffnenden Parts dank einiger, rhythmischer Verschiebungen schon hinter dem Schlagzeug her. Das Ergebnis ist ein heftiger, progressiver Groove, der anschließend in den freiformartigen, nächsten Part übergeht. Hier – so scheint es – spielen sich die Musiker erstmal warm, wuseln die Instrumente zusammen mit Øklands Stimme wild umher. Der Part steuert mit opulenter Orgel und Mellotronstreichern auf einen Höhepunkt hinzu, der sich auch prompt entlädt und schließlich in den theatralischen Hauptteil des Songs überleitet.

Nicht alle Songs sind derart mit Details und Wendungen vollgestopft. SEVEN IMPALE wissen sehr wohl, wie viel sie ihren Hörern zumuten können, und so bieten etwa das jazzig rockende „Heresy“ und das fast schon elegische „Serpentstone“ eine etwas einheitlichere Erfahrung. Gerade letzteres spielt mit den sphärischeren Passagen der mittelspäten OPETH, ist aber auch nicht ganz so gesangslastig wie andere Songs des Albums. Oft werden solche Parts genutzt, um auf eine Eruption hinzuzusteuern und diese dann umso heftiger klingen zu lassen. Und dank des sehr rauen Sounds treffen diese auch stets ins Schwarze.

Dass „Contrapasso“ im Vergleich zum Debüt so rüpelhaft klingt, hängt auch mit der Produktion zusammen. Der Sound, den sich SEVEN IMPALE von Iver Sandøy auf den Leib haben schneidern lassen, ist fett und knallt wie sau. Die Gitarren klingen richtig dreckig, fast schon grungy, das Saxofon meckert leicht verzerrt, die Orgel gurgelt subtil aber jederzeit hörbar und auch der Bass ist präsent. Und doch sind die ruhigeren Momente ebenso gut herausgearbeitet und sprühen nur so vor Details.

Ein mitreißender Strom

Aber alles Deskriptive wird dem Album einfach nicht gerecht. Es ist ein wahnsinniger musikalischer Trip. Während einige andere Musiker darum bemüht sind, ihre Musik zu kontrollieren und zu konstruieren, klingt diese auf „Contrapasso“ wahrhaftig entfesselt. Emotionaler, leidenschaftlicher Prog ist das, hier wurden die Taschenrechner einfach mal Taschenrechner sein gelassen. Das Album steckt voller Melodien, voller Aggression, voller Dramatik, aber auch voller Ideen, Überraschungen und voller Musikalität. Hier kann man als Fazit eigentlich nur eines sagen: Lasst euch von diesem Strom mitreißen, ihr werdet es nicht bereuen. SEVEN IMPALE haben ihre Nische ja schon mit „City Of The Sun“ gefunden, mit „Contrapasso“ fühlen sie sich dort nun endgültig wie zu Hause.

Um noch mal auf die eingangs angerissene Bedeutung von „Contrapasso“ zu kommen, meint diese wie oben erwähnt das Erleiden einer der entsprechenden Sünde entgegengesetzten Strafe. Dem ketzerischen Vorausdenker wird beispielsweise der Kopf verdreht, sodass dieser gezwungen ist, rückwärts zu laufen. In diesem Sinne „bestrafen“ SEVEN IMPALE uns, die wir in Zeiten von qualitativ immer weiter stagnierendem Retortenpop leben und diesen achselzuckend zulassen, mit einem der besten und abenteuerlichsten Prog-Alben des Jahres, das nur beim etwas zu langen Rausschmeißer „Phoenix“ leicht, ganz leicht schwächelt. Abgesehen davon haben die Norweger hier alles richtig gemacht.

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30.09.2016

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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2 Kommentare zu Seven Impale - Contrapasso

  1. Buddy S sagt:

    Wow ausgehend von dem hier geschriebenen und dem Song den es über Soundcloud zu hören gibt, bin ich richtig angefixt, wenn die Single Langour stellvertretend für das komplette Album steht, dann muss ich das unbedingt hören, ich bin ja sowieso ein totaler Fan von Jazz im Rock / Metal, da es sowas einfach gefühlt viel zu selten in gut gemacht gibt. Ich gebe dem Album aber noch keine vorab Bewertung, dafür möchte ich es erstmal im Gesamtpaket hören.

    1. Michael Klaas sagt:

      Der Song fasst die Facetten des Albums tatsächlich ganz gut zusammen, ist also repräsentativ.