Unzucht - Neuntöter

Review

Galerie mit 18 Bildern: Unzucht - Devils - 20th Anniversary Tour 2024 Saarbrücken

Der Neuntöter ist ein ziemlich ungemütlicher Zeitgenosse. Diese Vogelart ist vor allem dadurch bekannt, dass sie ihre Beute brutal auf Dornen aufspießt. Solch ein possierliches Tierchen ziert das aktuelle Albumcover von UNZUCHT, das passenderweise auch noch “Neuntöter“ heißt. Wer hier jedoch eine Lehrstunde in Sachen Zoologie erwartet, der irrt. UNZUCHT machen modernen Dark Rock mit vielen elektronischen und düsteren Elementen, eingepackt in schöne Melodien und donnernde Gitarren. Durch ihre vorherigen Alben hat sich die Band nicht nur eine enorme Fangemeinde erspielt, sondern vor allem die Messlatte für Kommendes weit oben angesetzt. Doch für “Neuntöter“ stellt das offenbar keine Herausforderung dar.

Der Opener “Der Dunkle See“ zeigt, wie gut UNZUCHT ihr Handwerk verstehen. Die Strophen sind sehr ruhig und mit Klavier untermalt, wohingegen die restlichen Songbausteine durch ihre Härte und Düsternis punkten. Ein langsamer, aber sehr abwechslungsreicher Song mit emotionalen Lyrics und einer einzigartigen Stimme – ein typischer UNZUCHT-Song. Doch auf “Neuntöter“ legt die Band in Sachen Härte noch einen drauf. Songs wie “Widerstand“ und besonders “Kettenhund“ sind richtige Brecher, die mit schnellem Tempo massivem Shouting- bzw. Screaming-Einsatz überzeugen. Auch das düstere, fast schon kranke “Splitter“ verdeutlicht diesen Schritt, der definitiv gefällt.

Was UNZUCHT jedoch in erster Linie ausmacht, ist das fantastische Wechselspiel aus Härte und Melodie. Das zieht sich nicht nur durch viele Songs, die auf die Art zahlreiche Stimmungen bewirken, sondern auch durch die Gesänge an sich. Sänger Der Schulz, der mit seiner hohen und kraftvollen Stimme viele ausgefeilte Melodien präsentiert, steht im Kontrast zu Gitarrist De Clercqs tiefer und dunkler Stimme. Diesen Gegensatz nutz die Band geschickt aus und verleiht so beispielsweise dem Titeltrack “Neuntöter“ den typischen UNZUCHT-Sound, der auf ganzer Linie überzeugt.

Bei allem Lob, auch ein paar weniger starke Songs sind auf dem Album zu finden. “Hinter Glas“ hat zwar träumerisch schön gestaltete Strophen, ist jedoch sonst eher unspektakulär. Ebenso verhält es sich mit “Piotrek“ und den Bonus-Songs “Parasomnia“ und “Tränenmeer“, die allesamt ihren Charme haben, aber nicht so richtig zünden wollen. Dabei lohnt sich die Bonus-CD auf jeden Fall, denn mit “Das Lächeln der Gewinner“ ist eine richtige Perle enthalten, die vor allem textlich überzeugt. Darüber hinaus sind zwei Titel des Albums mit zusätzlichen Gastsängern vertreten. Dave Grunewald von ANNISOKAY verleiht “Widerstand“ ein noch wesentlich härteres Gewand und Chris Harms von LORD OF THE LOST veredelt den eh schon mächtigen Song “Ein Wort fliegt wie ein Stein“ mit seiner Stimme, die unglaublich gut zu der von UNZUCHT-Fronter Der Schulz passt. Bitte mehr davon!

UNZUCHT drehen auf “Neuntöter“ den Härtegrad noch einmal nach oben. Ansonsten bekommt man, was man von der Band gewohnt ist: ein abwechslungsreiches Album mit starken, lyrischen Texten gehüllt in ein düsteres Gewand mit eingängigen Melodien. So klingt moderner Gothic Rock!

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04.09.2016

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