Decembre Noir - Forsaken Earth

Review

Galerie mit 23 Bildern: Decembre Noir - 2023 in Saalfeld

Doom Death lebt wie kaum ein anderes Metal-Genre von den transportierten Emotionen. Das kann man am besten an einem Beispiel erläutern. Man kann eine Textzeile wie „There is no perspective“ („The Vast Darkness“) einfach nur singen, oder aber richtig fühlen, leben und leiden. Und genau das gelingt DECEMBRE NOIR auf ihrem Zweitwerk „Forsaken Earth“ vortrefflich.

Laut eigener Aussage der Thüringer geht es in den Texten um Isolation, Selbstzweifel, Einsamkeit und die alles überwiegende Dunkelheit. Noch Fragen? Sicher nicht, genau solche Lyrics erwartet man doch eigentlich vom Doom Metal. Also tauchen wir erneut ein in den musikalischen Kosmos von DECEMBRE NOIR. Und bereits beim Genuss des Openers „In This Greenhouse Of Loneliness And Clouds“ kann man konstatieren, so und nicht anders hat melancholischer Doom Death zu klingen. Ein herrlich schleppender Rhythmus, wunderbar tiefe Growls und große schwermütige Melodien, mehr Zutaten braucht diese Art von Musik eigentlich gar nicht. Das ist gleich mal die pure vertonte Einsamkeit. Ein ganz starker Einstieg in 50 Minuten voller Gefühle. Etwas flotter, oder für DECEMBRE NOIR Verhältnisse sogar regelrecht poppig geht’s dann weiter mit „Small.Town.Depression“. Und obwohl der Song sehr melodiös und eingängig ist, vermittelt er dennoch ein anschauliches Bild der geschilderten Kleinstadt-Depressionen. Wobei hier schon jeder seine eigenen Erfahrungen in den Text hinein projizieren kann. Das Leben kann schließlich in unglaublich vielfältiger Hinsicht depressiv sein bzw. machen. Im rasend schnellen Mittelteil trauen sich die Jungs sogar, das relativ enge Korsett des Doom Death auch mal zu sprengen. Gewagt, und gewonnen! Hier haben wir definitiv einen zukünftigen Live-Klassiker am Start.

Doch schon mit „Ghost Dirge“ kehrt man wieder in heimatliche Gewässer zurück, oder besser gesagt in den knietiefen Morast des Schicksals. Hier sieht man wieder mal wunderbar, wie man es machen sollte: Die Songstrukturen sind abwechslungsreich, doch stets nachvollziehbar. Die ruhigen Einschübe verkommen nicht zum Selbstzweck sondern fügen sich perfekt ins Gesamtbild ein. Alle Musiker brillieren mit ihren individuellen Stärken, agieren dabei jedoch stets songdienlich. Das mag nach einer einfachen Formel klingen, ist aber in Wahrheit die eigentliche Kunst an der Musik. Aber wir haben nun gerade mal Halbzeit der Scheibe, und das Fazit ähnelt schon stark einer Lobeshymne. Dagegen kann die zweite Hälfte doch eigentlich nicht mehr anstinken, oder? Weit gefehlt, sie kann, und ob. Denn schon „The Vast Darkness“ wird seinem Titel mehr als gerecht. Das ist purer Doom, die große unendliche Dunkelheit, die vertonte Ausweglosigkeit. Da muss man beim intensiven Hören echt verdammt aufpassen, dass einem keine verrückte Gedanken kommen.

Tiefer, immer tiefer, in den knietiefen Morast des Schicksals

DECEMBRE NOIR gelingt es hier mal wieder auf meisterhafte Art und Weise, den geneigten Hörer so tief nach unten zu ziehen, dass die Dunkelheit förmlich über einem zusammenbricht. Ein Song wie ein mächtiger Sog, tiefer, immer tiefer… Bis einen dann schließlich „Waves Of Insomnia“ zum Glück (oder eher leider?) wieder aus diesem Strudel empor reißt, zumindest etwas. Denn nach einem eher ruhigen Anfang geht dieser Longtrack der Scheibe dann schon ziemlich zur Sache. Ist aber auch kein Wunder, wenn man sich darin laut eigener Aussage mit dem Verfall der Natur, unserer Werte und der Menschlichkeit befasst. Dieser Song transportiert wunderbar neben der Trauer auch eine gehörige Portion Wut und Hass auf die Menschheit, wahrlich kein Wunder bei unserem Talent zur Selbstzerstörung. Und wenn in 14 Minuten Spielzeit nicht einmal Langeweile aufkommt, dann kann man nur feststellen: Genauso geht ein Spannungsbogen. Am Ende läuft die Zeit ab und davon, aber die Menschheit wird das wohl leider eh nicht kapieren. Mit dem abschließenden „Distant And Unreachable“ schleichen sich DECEMBRE NOIR dann doch noch etwas heraus aus der Hoffnungslosigkeit. Da schimmert doch tatsächlich ein schwaches Licht am Horizont. Dennoch ist der Weg durch die Dunkelheit noch lang und traurig.

DECEMBRE NOIR haben mit „Forsaken Earth“ ganz klar zur internationalen Elite aufgeschlossen. Mit einer solchen Scheibe im Gepäck braucht man sich auch vor den Glanztaten von z. B. MY DYING BRIDE oder alten ANATHEMA absolut nicht zu verstecken. Viel besser kann man Doom Death wahrlich nicht zelebrieren. Und falls mal irgendwer behauptet hat, die großen Klassiker seien allesamt schon vor langer Zeit geschrieben worden, dann war das eine Lüge. Mit diesem Werk beweisen uns die Erfurter eindrucksvoll das Gegenteil.

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08.08.2016

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