THE WAKES attestieren sich mit ihrem Album „The Red And The Green“ selbst eine gewisse Nähe zu FLOGGING MOLLY und DROPKICK MURPHYS. Das kann man grundsätzlich bestätigen, wobei die sechsköpfige Band aus Glasgow mit deutlich mehr Wagemut komponiert und sich eben nicht auf Celtic-Folk-Punk festlegen. Es wird viel Wert darauf gelegt, das Publikum einzubinden und die Interaktion zu den abfeierbaren Songs besonders leicht zu machen. Mit „Pirates Of The Leagues“ gibt es sogar eine Hymne eigens für den FC St. Pauli, dementsprechend wenig feingeistig aber äußerst zweckdienlich. Authentizität kann im Falle von THE WAKES in keiner Sekunde in Frage gestellt werden, stets wird mit überzeugender Inbrunst getragen, jeder Ton leidenschaftlich geschmettert und die Mundharmonika launig bespielt.
Und jetzt der Flötenschlumpf
Der Begrüßungsong „Colours“ überspannt den Bogen leider etwas, äußerst simpel arrangiert fallen THE WAKES mit Tür ins Haus, indem sie den Hörer mit Oho-Chören penetrieren und die Messlatte erstmal ganz weit unten anlegen. Das folgende „To Hell Or California“ versucht den Folk-Anteil zu erhöhen und schießt dabei leider etwas über das Ziel hinaus. Etwas zu ambitioniert gibt der Flötenspieler alles, was letztendlich überladen klingt und auch das spätere „John Mac Lean’s March“ etwas anstrengend macht. Die anschließenden Songs „Empire Of Skulls“ und „The Brave“ mögen zwar nicht sonderlich innovativ sein, transportieren die Lebenslust und Geselligkeit des Genres aber äußerst ansprechend. THE WAKES streifen auch angrenzenden Genres, lassen hier und da einen Ska-Beat einfließen („Never Again“) und lockern das Material damit ganz gut auf. Mit „Never Again“ bezieht die Band eindeutig Stellung und bekennt sich zum Antifaschismus („Always and forever Antifa…“). Und auch mit „Peat Bog Soldiers“ und „8.30 AM Glasgow Cross“ widmen sich THE WAKES realen geschichtlichen Begebenheiten. Damit rückt die Band also näher an die Seite von authentisch schwermütigen Folk-Legenden, als an die der partywütigen Folk-Freunde.
THE WAKES decken die komplette Folk-Palette ab
Irritierend bis anstrengend ist die häufig sehr dramatische Vortragsweise des Sängers, die stark an pathetischen Power-Metal oder MEAT LOAF erinnert. Besonders in den langsamen Momenten kommt dies streitbare Facette zum Tragen, bei flotteren Songs verliert sich das. Mir persönlich liegt der dusselige Shane MacGowan (THE POGUES) oder bärbeißiger Gesang im Stile der DROPKICK MURPHYS eher. THE WAKES decken mit „The Red And The Green“ die komplette Folk-Palette ab, bieten also deutlich mehr, als sie selbst bewerben und überzeugen mit einem durchweg satten Sound. Wer sich mit schweren Themen nicht beschäftigen möchte und den geschichtlichen Ursprung von Folk in erster Linie mit Li-La-Laune-Musik in Verbindung bringt (oder bringen möchte), wird „The Red And The Green“ nicht durchweg verstehen und mögen. Online-Recherche ergab, dass „The Red And The Green“ wohl bereits 2013 zum ersten Mal veröffentlicht wurde und anscheinend erst jetzt, angetrieben von guten Ressonanzen, über Drakkar/Soulfood den Weg nach Deutschland gefunden hat. Bleibt abzuwarten, wie das Material der Schotten hierzulande aufgenommen wird.
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