Neal Morse - So Many Roads: Live In Europe

Review

Kaum ein Jahr vergeht ohne eine NEAL MORSE-Veröffentlichung. Zur Abwechslung gibt es mal wieder eine Livedokumentation seines Schaffens und der ehemalige SPOCK’S BEARD-Fronter lässt sich für „So Many Roads: Live In Europe“ nicht lumpen: Auf gleich drei Discs verteilt präsentieren der amerikanische Sänger und seine holländische Begleitband runde dreieinhalb Stunden Material!

Wer über NEAL MORSE spricht, kommt am Thema Religion nicht vorbei. Schließlich war sein neu entdeckter Glauben seinerzeit der Grund für den Split mit SPOCK’S BEARD und so mancher Hardcore-Progger hat damals schon den Kirchenaustritt erwogen. Wie dem auch sei, was den lyrischen Inhalt und den Predigerstatus von Morse angeht, wurde schon viel gesagt und mich persönlich tangiert es ohnehin nicht, ob jemand über Jesus, Odin oder seine Katze singt, solange die musikalische Qualität darunter nicht leidet. Das tut sie bei NEAL MORSE beileibe nicht, wobei man zugestehen muss, dass Morse bei seinen Soloauftritten verstärkt die Dramatik und das Pathos ähnlich gearteter Spiritual-Rock-Bands abgeschaut hat. Doch wer mit großräumig angelegtem, pathetischem Progressive Rock keine Probleme hat, muss NEAL MORSE einfach lieben, denn wenn man eines nicht abstreiten kann, dann ist das die enorme Entertainerqualität des Amerikaners. Logischerweise kommt dies gerade bei solch einer Liveorgie bestens zum Tragen und so gestalten sich die dreieinhalb Stunden als sehr unterhaltsam.

Mit seiner quasi namenlosen holländischen Begleitband hat NEAL MORSE schon einige Tourneen durchgezogen und so kann man auf „So Many Roads: Live In Europe“ ein mittlerweile eingespieltes Team bewundern, bei dem Morse aber eindeutig der König ist und sich abgesehen von der wunderbaren Co-Sängerin Jessica Koomen auch keiner der treuen Gefolgschaft besonders in den Vordergrund spielt. Dennoch (oder gerade deswegen) ist das Zusammenspiel exzellent und harmonisch. Auch die Liveaufnahme klingt sehr „live“ und unbearbeitet und kann überzeugen. Was die Songauswahl angeht, kann man ebenfalls nur Positives nennen: Logischerweise legt Morse dabei Wert auf sein Solomaterial, speziell auch auf das aktuelle „Lifeline“-Album, von dem gleich vier Stücke vertreten sind, u.a. natürlich auch das titelgebende Epos „So Many Roads“. A pro pos Epos: Während er auf CD 1 noch immerhin sieben Tracks unterbringen kann, bestehen die weiteren beiden abendfüllenden CDs aus je drei Tracks. Auf CD 2 kommen die Freunde seiner Solowerke mit Medleys aus den Alben „?“ und „Testimony“ voll auf ihre Kosten, doch die großen Highlights verstecken sich zweifellos auf CD 3 mit dem SPOCK’S BEARD-Track „Walking On The Wind“ und speziell dem famosen TRANSATLANTIC-Doppelpack „Bridge Across Forever/Stranger In Your Soul“. Nichts gegen NEAL MORSE’s Alleingänge, aber bei diesen Stücken (und insbesondere auch dem ebenfalls aus SPOCK’S BEARD-Tagen stammenden Übertrack „At The End Of The Day“, der als Opener der ersten CD fungiert) kommt die Extraklasse sowohl von Morse als auch der Kompositionen an sich am besten zum Tragen.

Aufgenommen wurde „So Many Roads: Live In Europe“ übrigens an mehreren Abenden bei Gigs in Holland und Deutschland, wobei die Übergänge so geschickt gewählt wurden, dass das Triple wie aus einem Guss wirkt.

NEAL MORSE-Fans dürfen bedenkenlos zugreifen, Freunde etwas „seichterem“ Prog-Rocks mit Gänsehautgarantie und hohem Entertainmentfaktor ohne Kenntnisse über das bisherige Schaffen des emsigen US-Amerikaners dürfen ebenso bedenkenlos zugreifen.

21.03.2010

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