Was haben NEVERMORE, BOLT THROWER, EDGUY und KILLSWITCH ENGAGE gemeinsam? Abgesehen davon, dass alle irgendwie Metal fabrizieren und auf ihren Teilgebieten zudem noch äußerst erfolgreich sind, nicht sonderlich viel. Dass die einzelnen Musikstile aber nicht gänzlich miteinander unvereinbar sind, das versuchen die Metalcore-Veteranen GOD FORBID mit ihrem neuen Album „Earthsblood““ heuer zu beweisen. Und, soviel vorweg, Hölle und wie das funktioniert!
Aber erstmal wieder etwas zurück im Text. Seit fast 10 Jahren fuhrwerken GOD FORBID, fünf Amerikaner aus New Jersey, unbeirrt und ohne einen einzigen Lineupwechsel durch das Metalcore Genre. Wobei die Reduktion von GOD FORBID rein auf Metalcore wohl ebenso unangebracht ist, wie die fast schon stereotypische Reaktion der meisten Metalhörer auf das Genre an sich, hat die Truppe aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten ihr musikalisches Spektrum über die Jahre hinweg doch deutlich um zahlreiche Klangfacetten und Stilelemente erweitert.
Und so beginnt das neue Album mit dem Intro „The Discovery“ auch eher ungewöhnlich epochal, weinende Geigen und trauriges Klavierspiel schaffen mit den schweren, langsamen Gitarren einen traurigen, düsteren Vorhang. Auch das anschließende „The Rain“, schließt sich dem an. Schon zu Beginn bin ich etwas überrascht, das soll Metalcore sein? Ein Hauch progressiven Metals liegt in der Luft. Dann der Wechsel, der kreischende Gesang stammt unverkennbar aus der Core-Ecke, auch der typische Rhythmus vieler Metalcore-Bands setzt ein. Immer wieder wird dieser aber durch andersartige Musikeinflüsse abgelöst und in seinem Tempo gedrosselt, besonders einprägsam sind hierbei die vielen durchdachten und technisch guten Sololäufe. Die Breakdowns sind nicht abrupt, sondern angenehm gewählt, ebenso wieder der harmonische Gesang. Diese Kombination macht „The Rain“ zu einem hervorragenden Midtempo-Stück mit progressivem Einschlag.
„Empire Of The Gun“ lässt sich noch am ehesten mit dem Metalcore-Stempel versehen, verliert deswegen aber nicht im Mindesten an Qualität. Zügiges Tempo wird hier groß geschrieben, der Song entwickelt sich schnell zu einem richtigen Mitnicker. Der Clean-Gesang des Refrains unterscheidet sich zwar deutlich von seiner progressiv angehauchten Rolle in „The Rain“, überzeugt aber dennoch durch seinen chorartigen Aufbau. Mit seinem stellenweise stampfenden Rhythmus dürfte der Song zudem Live zu einem richtigen Kracher avancieren. Ein Attribut, das auch für das folgende „War Of Attrition“ gilt: wer vorher bereits mitgenickt und mit dem Fuß gewippt hat, der dürfte hier vollends mitten drin im Sog der Musik stecken. Gitarrenarbeit, die überzeugt, erneut NEVERMORE artiger Gesang auf hohem Niveau, gepaart mit dem harschen Stimmorgan von Byron, der Song gestaltet sich von Beginn an mächtig und wird live hoffentlich ebenfalls mit von der Partie sein..
Auch wenn ich Gefahr laufe mich zu wiederholen, die progressiven Elemente gehören wirklich zum Aushängeschild des Albums. Kein Song wirkt langweilig, keine Idee wird unangenehm oft recycelt. Wäre man auf Konfrontation aus, könnte man der Band vielleicht noch unterstellen, sich sogar etwas zu sehr bei bei den Progkollegen bedient zu haben wie beim Beginn von „The New Clear“, aber wer zwingend Erbsen zählen möchte, der wird auch immer ein paar herumliegende finden.
„Earthsblood“ gestaltet sich letztlich viel zu interessant, um es in eine Genreschublade zu stecken. Es paart Aggressionen und Aufmüpfigkeit, deren Ausdruck dem Metalcore ja ohnehin liegt, mit tiefgründigem Songwriting und abwechslungsreichen anderen musikalischen Elementen, die sich atmosphärisch gut in das Gesamtkunstwerk eingliedern. Selbst in wenig Black Metal wird in „The New Clear“ verarbeitet, „Shallow“ wirkt mit seinem Tempo, das mich irgendwie an eine marschierende Armee in Richtung Schlachtfeld erinnert, äußerst antreibend. „Walk Alone“ hingegen tanzt mit seinem Refrain wieder munter aus der Reihe und wirkt, nicht nur wegen seines Inhaltes, erfrischend positiv, dem stellenweise anklingenden Heavy Metal sei dank.
Ich könnte jetzt noch deutlich weiter ausschweifen, den neun minütigen Titeltrack, der die gesamte musikalische Breite von „Earthsblood“ nochmal gut wiedergibt, im Detail besprechen, darüber meckern, dass das Album bei der gebotenen Qualität mit 54 Minuten eigentlich viel zu kurz geraten ist, oder die druckvolle und wirklich passende Produktion ansprechen. Stattdessen beende ich die Sache hier und lasse dem Leser selbst noch etwas Raum um sich „Earthsblood“ selber zu erschließen.
Zusammenfassend bleibt mir also nur noch übrig, eine absolute Reinhörempfehlung auszusprechen. Mit „Earthsblood“ liefern GOD FORBID eine beeindruckende Vorstellung ab, die zudem deutlich macht, dass Metalcore ebenso wenig nach dem 0815-Schema ablaufen muss, wie jede andere Genrerichtung auch. Einzig die Kreativität der Macher ist entscheidend. Dass diese gegeben ist, darüber besteht bei mir absolut kein Zweifel mehr. Vergrätzt werden könnten hier höchstens Fans der ersten Alben oder Metalcore-Allergiker, die schon beim kleinsten Breakdown Wimpernzucken und rote Pusteln im Gesicht bekommen. Der Rest sei eingeladen, ein langes und intensives Bad im Blut der Erde zu nehmen, es lohnt sich!
finde das album überdurchschnittlich gut. freu mich wahnsinnig aufs vainstream mit GOD FORBID