Passend zum derzeitigen Hype um Black Metal der okkult-orthodoxen Spielart, möchten sich auch VI aus Frankreich zu ihren musikalisch, wie auch lokalen Nachbarn AOSOTH und DEATHSPELL OMEGA gesellen und bieten mit ihrer EP „De Praestigiis Daemonum“ einen kleinen, aber feinen Einblick in die kommenden Machenschaften des Duos, das aus I.nR und dem Multi-Tasking-talentierten Balrog besteht, der nicht nur bei VI den Vier-Saiter klampft und programmiert, sondern auch eine Rolle bei AOSOTH, ABORTED und seiner eigenen Kapelle BALROG spielt und sich zudem mit seinen BST-Studios zu einer beliebten Produktionsmaschine entwickelt hat. Wer schon so ausgelastet ist, aber dennoch auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig tanzt, muss entweder wahnsinnig sein oder in Kreativität ertrinken. Vielleicht auch beides: Genie und Wahnsinn liegen ja bekanntlich nah beieinander.
Unter diesen Voraussetzungen ist es dennoch umso weniger überraschend, dass VI musikalisch eine gestandene Kopie von dem neuen Projekt des ehemaligen ANTAEUS-Sängers MkM, namentlich AOSOTH, sind, aber – wie schon erwähnt – halt wenig eigene Ideen mitbringen, sondern zu sehr von ihrer eigentlichen Konkurrenz beeinflusst worden sind. Schade, denn mangelndes Können kann man den Beiden nicht vorwerfen. Das Problem an VI kann insofern darin gesehen werden, dass sie schon zu sehr in der „Orthodoxen Black Metal“-Bewegung stecken, zuviel gehört haben und dadurch Schwierigkeiten bekommen, bei ihrem eingeschlagenen Weg zu bleiben, aber sich halt doch bewusst von den Dutzenden an neuen Bands, die sich dem „Orthodox Black Metal“ verschrieben haben, abzugrenzen.
Die nötige Kompetenz an technischem Anspruch in Kombination mit einer ergreifenden, kalten Stimmung ist vorhanden – absolut allgegenwärtig ist auch die Hingabe und Disziplin, die eine Band dieser Gattung so braucht wie das Amen in der Kirche. Zeitweise bieten die vier Songs auch ordentlich Spannung, wenn die Choräle zur atmosphärischen Untermalung zum Einsatz kommen, um die Höhepunkte der einzelnen Songs besser zur Geltung zu bringen. Variable Geschwindigkeit macht VI auch in keinster Weise anstrengend. Von I.nRs Aufgabe als Vokalist, kann man zum Vergleich die aktuelle AOSOTH-Platte heranziehen. Die fast schon DEATHSPELL OMEGA-typischen Gitarren-Slides wurden auch nicht vergessen. Auch bei diesem Element habe ich das Gefühl, dass sich einige Bands während der Aufnahme ständig zurufen „Hey, don’t forget the slides – else it’s not orthodox!“
Wenn VI mich schon nicht vollends überraschen und begeistern konnten, haben sie es zumindest geschafft, mich dazu zu inspirieren, mal ein Lexikon á la „Basiswissen zum Schreiben eines Orthodox Black Metal-Klassikers“ zu schreiben. Wäre sicherlich ein Knüller – allerdings reicht mir die Auswahl, die in den letzten drei Jahren aus dem Boden gesprossen sind, auch vollständig aus. Da muss ich nicht noch andere Hampelmänner dazu inspirieren, den Großen nachzueifern. Versteht mich nicht falsch, ich gehöre zu einem Verfechter dieser Gattung, aber das bedeutet nicht, dass man alles haben und kennen muss, was dieses Banner trägt.
Welche Schwierigkeit ich für den Hörer sehe ist, dass es sich auf Dauer als aufwendig und kompliziert erweisen wird, bei dem Wust an – sorry, ich muss dieses Unwort wieder in den Mund nehmen – „Orthodox Black Metal“-Bands, die Qualität unter der Quantität zu finden – rohe Diamanten zu finden, die sich bei häufigerem Konsum zu geschliffenen Edelsteinen entwickeln. An dieser Stelle folgt das meinige „In-Schutz-nehmen“ für VI – denn falsch machen sie im Großen und Ganzen nichts, abgesehen von der fehlenden, eigenen Identität. Sicherlich kann man auch nicht erwarten, dass jede Band anders klingt und etwas völlig Neues erfindet, solange das, was sie machen, gut ist. Aber ich befürchte, dass aus diesem eigentlich ehrlichen Subgenre ein Ausverkauf stattfinden wird, wenn er nicht schon längst stattgefunden hat. Dass viele Bands sich seit dem Erfolg der vorrangig schwedischen und französischen Fraktionen dazu berufen fühlen, auch „orthodox“ sein zu müssen, weil es sich eh gut verkaufen lässt. Die eigentliche Überzeugung ist demnach schon im Vorfeld zum Sterben verurteilt, obwohl die Hochzeit erst seit wenigen Jahren vonstatten geht. Ich bin gespannt, wie es weitergeht.
Aber um zu einem Abschluss zu kommen: ich sehe „De Praestigiis Daemonum“ als Kostprobe. Wie VI sich entwickeln, wird die Zeit entscheiden. Es ist dem Duo jedoch ein guter Einstand gelungen, jedoch ist zu wenig Unbekanntes dabei, um VI auf seine Grundbausteine zu zerlegen. Wer auf diesen Stil steht, dem wird auch diese 4-Track EP gefallen – ob man sie jedoch braucht, steht auf einem anderen Blatt.
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