White Zombie - Let Sleeping Corpses Lie

Review

Als 2003 das dicke CD/DVD-Best-Of „Past, Present & Future“ von ROB ZOMBIE erschien, dachte man, dass damit eventuell auch das Erbe von WHITE ZOMBIE abgefrühstückt sei – was in dieser Hinsicht mehr als enttäuschend gewesen wäre. Für die Fans des Sologängers Rob Straker gab es zwar jede Menge Videos, und über den Sinn oder Unsinn eines Best-Ofs bei gerade mal zwei Alben im Hintergrund mag man geteilter Meinung sein, aber in punkto WHITE ZOMBIE war die Ausbeute relativ gering. Klar, solche schmissigen Klassiker wie „Thunder Kiss ’65“ durften nicht fehlen, aber es blieb nur bei ein paar Songs und nicht mal allen Videos.
Der eigentliche Grund für diese Veröffentlichung war vermutlich die kreative Auszeit ROB ZOMBIEs, der sich ab diesem Zeitpunkt voll auf sein filmisches Schaffen konzentrierte. Im Kurzschlußgedanken, der Zombiemeister würde sich eventuell musikalisch zur Ruhe setzen, hatten Geffen Records dieses edle Päckchen geschnürt, und bescherten ihm und sich selbst eine weitere Platin-Auszeichnung.

Nun ja, wie wir wissen, hat Mr. Straker das Musizieren nicht sein gelassen, 2006 erschien „Educated Horses“, am Nachfolger wird gearbeitet, und im November des gerade absolvierten Jahres 2008 erschien endlich eine würdige Kollektion, die das mehr als 10-jährige Schaffen von WHITE ZOMBIE Revue passieren lässt. „Let Sleeping Corpses Lie“ ist kein Best-Of, sondern versammelt auf ganzen vier CDs und einer DVD sämtliche Studioarbeiten, die von 1985 bis 1998 erschienen sind.

Es beginnt mit der „Gods On Voodoo Moon“ EP, von der man damals 300 Exemplare auf Vinyl hat pressen lassen. Nur 100 Stück wurden verkauft, der Rest befindet sich laut diverser Angaben der Band noch immer in ihrem Besitz, und angeblich durch einen Wasserschaden in einem entsprechend bedauerlichen Zustand. Vom stampfenden Groove Metal des neuen Jahrtausends war man damals noch weit entfernt. Auf diesem ersten, offiziellen Tondokument gab es ein äußerst eigenwilliges Gebräu aus Noise-Rock mit Punkattitüde, lässig-schnorrigem Gesang und düster-morbider Atmosphäre. Ein Highlight ist dabei das Stück „Tales From The Scarecrowman“ mit seiner markanten Basslinie.

1986 geht es weiter mit der 2-Song-EP „Pig Heaven“, gefolgt von „Psycho-Head Blowout“, mit der sich WHITE ZOMBIE bis 1987 so langsam aber sicher eine treue Fangemeinde erspielten. Ihr erstes Album „Soul-Crusher“ weckte dann auch die Aufmerksamkeit bei etablierten Größen wie IGGY POP.
Das Album war wild, durchgeknallt, härter. Gitarren und Bass waren tiefer gestimmt worden, die Atmosphäre ging entsprechend auch noch einen Stück weiter in den Horrorkeller. Zombie erzählte, sang und schrie wirre, exotische und abgefahrene kleine Gruselgeschichten.
So richtig einordnen konnte man WHITE ZOMBIE immer noch nicht. Da waren die Hardrock-Elemente, Industrial, Punk und auch Rauchschwaden früher Stoner-Klänge waren erkennbar.

Einen deutlichen Schritt in Richtung Metal machte man 1989 mit dem zweiten Album „Make Them Die Slowly“. Die Riffs, das Schlagzeugspiel und auch das angezogene Tempo einiger Songs atmeten viel Thrash-Feeling, allerdings blieb auch der hart rockende, acid-geschwängerte Groove-Trip, auf den Zombie viel Wert legte. Es erschien auf Richard Branson’s pseudo-Indie-Label Caroline Records, wodurch sich der Band ein breiteres Publikum offenbarte, als es ihnen im Rahmen ihres eigenen Labels bisher möglich gewesen war. Wie so oft, spaltete das Album das Fanlager. Eine Seite begrüßte den Schritt in Richtung metallischer Klänge, während sich die andere Seite etwas enttäuscht von der Abkehr der bisherigen Richtung zeigte.

Eine Art Versöhnung oder Kompromiß kam noch im gleichen Jahr in Form der vierten (und letzten) EP „God Of Thunder“, auf der WHITE ZOMBIE sozusagen beide Strömungen vereinten, und den Grundstein für ihren Alternative Groove Metal legten, der sich in den folgenden Alben manifestieren sollte.
Auf diesen einmaligen Sound wurden bald auch die Leute von Geffen aufmerksam. Nach einem Konzert bat man sie, ihnen ein Demo mit frischem Material aufzunehmen. Die Songs machten den verdienten guten Eindruck und WHITE ZOMBIE unterschrieben einen Vertrag für das nächste Album „La Sexorcisto – Devil Music Vol. 1“, welches 1992 erschien.

„La Sexorcisto“ bescherte der Band den durchschlagenden Erfolg, auf den sie bis dahin hingearbeitet hatten. Die Videos zu „Thunder Kiss ’65“ (der Song wird sogar mit einer Grammy-Nominierung bedacht) und „Black Sunshine“ liefen wochenlang auf MTV hoch und runter, der schwere und zugleich lässige Sound des Albums trafen den Nerv der Zeit und zahlreicher neuer Fans. WHITE ZOMBIE tourten in Folge mehr als zwei Jahre rund um den Globus. Schon bald attestierte die RIAA dem Album Goldstatus, ein paar Jahre später kann das Album allein in den USA Doppelplatin verbuchen.

1995, ganze drei Jahre später, nach einem wahren Tourmarathon und mit dutzenden neuen Songs im Gepäck nimmt die Band das mittlerweile vierte Album auf. Es sollte das letzte werden. Im April erscheint „Astro-Creep: 2000“, heiß erwartet, und kann am Erfolg des Vorgängers mühelos anknüpfen. Mit „Electric Head Pt. 2 (The Ecstasy)“, „Real Solution #9“, „Super-Charger Heaven“ und der WHITE-ZOMBIE-Hymne schlechthin, „More Human Than Human“ präsentiert die Band gleich eine ganze Hand voll erfolgreicher Singles, die alle auf ‚heavy rotation‘ laufen. Das Album wird sogar für einen Grammy nominiert.
WHITE ZOMBIE beteiligen sich an zahlreichen Soundtracks, darunter „I’m Your Boogieman“ für „The Crow“ und dem gnadenlosen Kracher „Feed The Gods“ für „Airheads“. Dieser Song, wie auch das Album reflektiert sehr gut den Weg, den ROB ZOMBIE wenig später solo beschreiten wird. Riffs, Sound, Atmosphäre – alles wird härter, intensiver und vor allem eins: besser.

1996 wird das Remix-Album „Supersexy Swingin‘ Sounds“ zusammengestellt, auf dem Künstler wie Charlie Clouser, John Fryer und P.M. Dawn Hand an die Songs von WHITE ZOMBIE legen.
1998 hebt ROB ZOMBIE dann sein Soloprojekt aus der Taufe. Als er sieht, dass sich sein Debüt „Hellbilly Deluxe“ besser verkauft, alles andere zuvor (allein in den USA geht die Scheibe mehr als drei Millionen mal über den Ladentisch), ist WHITE ZOMBIE Geschichte. Und dabei wird es auch bleiben, denn „Let Sleeping Corpses Lie“ will Zombie nicht als Zündfunken für eine Reunion der Band verstanden wissen. Es ist vielmehr ein Geschenk, eine wahre Fundgrube für langjährige wie junge Fans der Band, und macht vor allem den Jüngeren erstmals die seltenen und gesuchten frühen Aufnahmen zugänglich. Wer die Genese von Zombies Groove-Sound nachverfolgen will, kommt an dieser luxuriösen Box im Digipak-Format einfach nicht vorbei.

Enthalten sind alle Studioaufnahmen, das heißt: 64 Songs, mehr als vier 270 Minuten pures WHITE ZOMBIE Hörvergnügen, darunter das geile BLACK-SABBATH-Cover „Children Of The Grave“. Live-Aufnahmen oder Remix-Veröffentlichungen wie „Supersexy Swingin‘ Sounds“ findet man hingegen nicht, was bei letzterem auch nicht weiter schlimm ist, denn so umwerfend war die Remixscheibe wirklich nicht.
Wer WHITE ZOMBIE dennoch live aus der Konserve erleben will, kann die begleitende DVD einlegen, auf der sich sämtliche Musikvideos und eine Konzertaufnahme befinden. Wie schon bei „Past, Present & Future“ ist auch hier das DVD-Menü im Comicbuch-Stil gestaltet. Hinzu kommt ein 32-seitiges Hochglanz-Booklet mit Album-Covern, Konzeptartworks, Fotos und Linernotes der Band.

Gerade für Neueinsteiger, die (fast) noch gar nichts von den Zombies besitzen, ist das hier die ideale Box überhaupt. Überzeugender Inhalt, überzeugende Verpackung, und mit durchschnittlich 30-35 Euro auch noch ein verdammt überzeugender Preis. Da können sich viele andere Labels und Bands eine dicke Scheibe abschneiden. So wird’s gemacht – for the fans!

19.01.2009

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