Bis auf einen lächerlichen Auffahrunfall, über den ich hier lieber den Mantel des Schweigens hüllen möchte, bin ich bisher im Straßenverkehr von solchen Unglücken verschont geblieben. Wie es sich im Kopf anfühlt, wenn man mit 120 km/h ungebremst gegen einen Baum fährt, kopflastig zur Frontscheibe hinauskatapultiert wird und dann wie eine Puppe ohne Kontrolle eine Böschung hinabrollt um dann regungslos im Abwasserkanal liegen zu bleiben — ja, so ungefähr könnte man das beschreiben, was sich auf dem neuen Album von SOILENT GREEN abspielt.
Nur, dass man nicht in einem Auto sitzt, sondern einem übergroßen Bong, und man auch nicht mit einem Baum kollidiert, sondern mit einem übergroßen Zauberpilz und man später vom Notarzt einen bunten Cocktail von Amphetaminen gespritzt bekommt.
Ein krasser Unfall auf Droge, und trotzdem bei vollem Bewusstsein. Es gibt ja Bands, die auf rote Fäden und Konzepte setzen, aber wenn es überhaupt ein Konzept bei SOILENT GREEN gibt, dann das: Fuck the concept!
Kenner der Band wissen, dass SOILENT GREEN im stilistischen Metal-Garten wie ein Amokläufer wüten, und es dabei vor allem auf Death Metal mit brutal-technischem Flair, Grindcore aber auch Sludge und Southern Rock abgesehen haben.
Nun könnte man sich hinsetzen und Tagelang grübeln, wie man solch eine Vielfalt möglichst genial unter einen Hut bringt, aber scheiß drauf! SOILENT GREEN wurden einmal vom Rolling Stone unter die 25 innovativsten Metalbands gewählt, und ich als relativ unerfahrener SOILENT-GREEN-Hörer kann mir allmählich vorstellen, wie sie sich diesen Ruf erspielt haben. Gitarrist Brian Patton scheint nämlich so zu spielen, als würde sich nicht nur in seinem Kopf ein Gehirn befinden, sondern auch in seiner Hand. Gleiches gilt für Schlagzeuger Tommy Buckley. Hier wird durcheinander gerifft, geblastet und gegroovt, gegrindet und gerockt, dass einem schnell der Schädel brummt.
In einer Sekunde versohlt Buckley seinem Kit noch den Arsch in Hochgeschwindigkeit, einen Moment später spielt er ganz lässig und entspannt groovige Rockrhythmen. Patton sägt und metzelt sich die Fingerspitzen wund, um dann mal eben einen Haken zu schlagen und ein paar virtuose, melodiöse Riffs aufs Griffbrett zu packen.
Dazwischen brüllt sich Sänger Ben Falgoust wie gehabt die Stimmbänder wund.
In einer vollgedröhnten Kifferbude einen klaren Kopf zu behalten, dürfte ebenso schwierig sein wie der Versuch, SOILENT GREENs Songstrukturen nachzuvollziehen. Es gelingt passagenweise, aber die Wechsel und Sprünge sind teilweise ziemlich extrem. Ob man das innovativ nennen kann, weiß ich nicht. SOILENT GREEN wissen zu beeindrucken, und das Material knallt amtlich aus den Boxen (dank Erik Rutan von HATE ETERNAL), aber auch wenn der Stoff abgefahren ist, fehlt mir ein bißchen die Seele hinterm Chaos.
Wer jedenfalls auf metallisches Easy Listening und ‚catchy Songs‘ aus ist, darf schon mal die Ohren einklappen.
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