K.I.Z.
Vorsicht, HipHop! - Oder: K.I.Z. in Hannover

Special

Expeditionen ins Tierreich; Länder, Menschen, Abenteuer; oder: der TellerrandWatch mit him: „Texte so hart wie die Hoden vom Papst – Vorsicht, HipHop!“ – K.I.Z. in Hannover

K.I.Z.

Was ist die Metal-Szene doch für ein oller Sumpf: Nur tumbe Trottel, Szene-Moralisten und Emo-Knirpse, überall diese neuerdings klatschnass gegelten Frisen (wahlweise Modell Klobürste oder Eisenherz) über brandneuen Caliban-Shirts… nein, das ist nicht mehr „meine“ geliebte Metal-Szene wie vor 65 Jahren! Schnüff!

Es soll ja viele Metalopas jenseits der 20 geben, die das so sehen. Die Jugend ist eben viel zu jugendlich, scheiße. Ja, und zu diesen Stänkerern gehörte ich auch.

Bis gestern. Denn gestern war ich auf dem Gig von K.I.Z., einer Migrationshintergrund-Kampfcrew aus dem Berliner „Gheddo“ mit sanften Raps über Huren und ihre Söhne, über abspritzen, Judengräber und brennende Viertel. Das maximale Programm halt – aber durchaus intelligent, endlich mal selbstironisch und detailverliebt.

Der erste Kontakt mit der obskuren Welt jenseits meines vertrauten Tellerrandes war an diesem Abend der Begrapscher, der diesmal schon am Außentor – also 100 Meter vor dem eigentlich Eingang – Hand anlegte. Gut, man weiß ja nie, welche Artillerie die Kollegas unter ihren ausladenden Tütenhosen so mit sich rumtragen. Aber die Organisatoren meinten es gut mit ihren Gästen und postierten gleich noch einen weiteren Lüstling direkt am Eingang. Man hätte sich ja zwischendurch die Schlagringe und Kampfhunde über den Zaun werfen lassen können.

Das anwesende Volk – übrigens angenehm vielfarbig, aber unangenehm beschissen gekleidet – nahm die Kontrollen gelassen. Ob die das vielleicht schon aus ihrer Schule kennen? Hehe… Das äußerliche Erscheinungsbild der zahlenden Gäste jedenfalls (resp. aller gängiger Vorurteile über diese Klientel) brachte blitzartig jede Stimme in mir zum Verstummen, die sich vorher ansatzweise verächtlich über Metalfans geäußert hatte. Gegen diese anwesende Meute von fanatischen Imagepflegern sind die Emoindustrie-Hansel und Szeneadvokaten liebenswerte Individualisten.

Drinnen dann kam es zu weiteren Kulturschocks (wie die Jungfrau zum Orgasmus): Auf der Bühne keine Instrumente, sondern zwei handelsübliche Plattenspieler und ein aufgeklappter Laptop. Fertig. – Ach ja, is ja HipHop, scheiße. Zum ersten Mal beschlich mich eine leichte Trauer um die schönen 15 Euro… Dann betraten zwei hässliche Vögel die Bühne, hatten leider jeweils ein Mikro dabei und erzählten etwas von ihren Lebensumständen. Da ein Dritter gleichzeitig Plattenspieler und Laptop angestellt hatte, nannte sich das dann Lied. Die beiden Fronter waren zwar gut drauf (wie Nutten beim Fingern) und ambitioniert (wie Hasselhoff am Zapfhahn), aber der Inhalt blieb flach (wie Groud Zero) und ihre Battle-Reime wirkten schnell abgegriffen (wie Mettbrötchen am Buffet).

K.I.Z.

Etwas mehr gehatet wurde beim zweiten Support-Act (man hatte das Gefühl, die gehören sowieso irgendwie alle zu einer Familie), dafür war der Halbaffe am Mic auch keine Augenweide. Wenigstens wurden die obligatorischen wie absurden Vergleiche ansprechender (wie die Zeugen Jehovas).

Ein erstaunliches Phänomen zeigte sich mit zunehmender Alkoholschwere der Atmosphäre (ja, auch HipHopper lassen sich gern volllaufen wie die Elbeanrainer!): Ausgestreckte, halb angewinkelte Arme, daran nickende Hände mit halb geöffneten Fingern. So ungefähr wie ein arg erschlaffter Hitlergruß, der im Takt mitwippt. Lustig sah das aus – und diente neben gelegentlichem Auf-der-Stelle-Hüpfen als einzige körperliche Betätigung zur Musik.

Dann endlich: K.I.Z., die neuen Könige der Post-Aggro-Berlin-Ära: Aggressiv (wie Herpes), präsent (wie Nazis in Northeim) und in bester Feierlaune (wie die Erben am Grab). Der Saal kochte erst mal über (wie Suppe bei Biolek), und die Textsicherheit und Grölfähigkeit der Fans erreichte Niveaus, von denen Metalbands nur träumen können. Wahnsinn! Da macht es sich bezahlt, dass HopHop vorrangig über Sprache funktioniert – wirklich jeder Fan bis in die letzte Ecke der Halle schien die Texte mitplappern zu können – und tat dies auch nach Kräften. Da haben die Leute den Rockkollegen einiges voraus! Dieser Umstand war natürlich bestens zuträglich für die allgemeine Stimmung im Saal.

Ganz im Gegensatz zum fehlenden Instrumentarium. Vielleicht liegt es ja an meiner Hör- und Sehgewohnheit – aber ein DJ und drei Sprecher auf der Bühne reißen – vor allem auf Dauer – mit wie der Märchenonkel im Spielmobil. Es fehlt die Action, das Sichverausgaben, sowohl auf der Bühne als auch im Publikum. Keine mit Bier und Schweiß zugeölten Oberkörper, kaum Bewegung im Publikum, geschweige denn Pogo oder Pit. Alle stehen mit wippenden Knien und rechtem Arm an ihrem Platz. Gähn.
Meine Erkenntnis: HipHop funktioniert zum einen als Improvisationsacting, als auch als Konservenkunst durch überraschende Reime oder einfach einen guten Flow. Aber live und frontal über 1 ½ Stunden eine Masse aufzukochen – no way! Da liegen Rock und Metal eindeutig vorne (wie das Gepäck im Käfer).

K.I.Z. sind und bleiben vorerst die Ausnahme in meinem Konzertkalender. Auf zwei CDs eine überaus kurzweilige, humorvolle und ausgesprochen derbe Performance – aber diese Attribute gingen live spätestens nach einer halben Stunde – analog zum Atem der drei – unter (wie deine Mutter wenn ich abspritze).

Metal ist unterm Strich einfach livetauglicher – aber haben das die Klugscheißer unter uns nicht schon immer gewusst?

(him, 20.09.2007)

www.k-i-z.com

23.10.2007

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