Christophe Szpajdel
Lord Of The Logos
Special
Ich erinnere mich noch an eine Zeit, als in den sogenannten Sales-Sheets der Labels, neben „1000 promo CDs sent out“, „the most satanic album ever recorded“ und „features members of…“ ganz oft stand: „logo created by Christophe Szpajdel“. Das ist zehn Jahre her, und heute weiß nicht mehr jeder Musiker im Metal-Underground, wer Christophe Szpajdel ist. Ich bin mir aber relativ sicher, dass fast jeder Metalfan schon einmal eine seiner Arbeiten betrachtet hat – denn Christophe Szpajdel, ein unscheinbarer Belgier von mittlerweile 40 Jahren, ist der vermutlich produktivste Logokünstler des Metal-Undergrounds.
„Lord Of The Logos“, das etwas plakativ betitelte Büchlein im schicken, kladdenartigen schwarzen Einband, umfasst eine Auswahl aus Szpajdels extrem umfangreicher Arbeit. Gezählt habe ich die Logos nicht, aber aus den an die 10000 Arbeiten, die der Mann seit seiner ersten im Jahr 1989 gezeichnet hat, kann man hier eine Kollektion von schätzungsweise 10% dieser Menge betrachten. Dabei hat Szpajdel, der unter anderem Forstingenieur ist und aus seiner Arbeit in der Natur mannigfaltige Inspirationen zieht, vorurteilslos für jede Band jeden Metalstils gezeichnet – vorzugsweise Black-Metal-Scheiben zieren seine Logos, aber auch Kapellen aus dem Death-, Thrash- und Doom-Bereich haben seine (übrigens so gut wie kostenlose) Dienste in Anspruch genommen.
Nun stellt sich die Frage, warum man diese Logos nehmen und in misanthropischem Schwarz und Weiß in ein Buch von 250 Seiten Stärke drucken muss, das keinen einzigen geschriebenen Satz enthält. Die Frage kann ich nicht beantworten, hätte mir aber mehr Hintergrundinformationen über diesen sicherlich interessanten Menschen gewünscht. Für mich ist „Lord Of The Logos“ in erster Linie ein Kabinett voller Raritäten und Kuriositäten. Neben den wohlbekannten und wirklich wunderhübschen Logos großer Bands wie EMPEROR, MOONSPELL, ENTHRONED, OLD MAN’S CHILD oder WOLVES IN THE THRONE ROOM finden sich auch Schriftzüge für Kapellen, von denen ich mir sicher bin, dass sie sich nur gegründet haben, damit sie sich ein Logo zeichnen lassen können. Oder: um zu testen, welchen Blödsinn Szpajdel aus Liebe zur Musik und zum Zeichnen mitmachen würde. Anders ist die Existenz absurder Schriftzüge wie CNOCANTURSA, DAS SCHWARZ, DER MOND VON TEUFEL, HEXENWITCH, HYPOTALAMUS (!), KNIRSCHEND oder ULCEROUS DIARRHOEA EXECTION nicht zu erklären.
Das wirklich Schöne an diesem Band ist, dass er Ähnlichkeiten und Einflüsse aufzeigt, teils auch verbunden mit hier und da auflockernden, Kapitelüberschrift-artigen Fotos aus Wäldern und sonstigen Landschaften. Dabei wird deutlich, dass hinter Szpajdels Arbeit nicht nur Musikerfanatismus, sondern ernstzunehmende Kunst steckt. Einflüsse aus Architektur, Art Deco, Jugendstil und Naturmystik verbinden sich mit einer Vision davon, welche Stimmung (insbesondere Black) Metal erzeugen sollte, zu einer einzigartigen Ausdrucksform, die diesem Mann auch in 20 Jahren niemand nachgemacht hat. „Lord Of The Logos“ verbreitet eine obskure, menschenfeindliche Stimmung – das muss man einem Buch, das nur aus Logozeichnungen besteht, auch erstmal nachmachen.
Schade ist, dass einige wirklich tolle Arbeiten (ARCTURUS, COVENANT, HORNA etc.) aus verschiedenen, für mich nicht immer schlüssigen Gründen in diesem Band keine Erwähnung finden. Teils werden politische Erwägungen eine Rolle gespielt haben, warum aber die Schriftzüge von ARCTURUS und einigen anderen ausgeklammert sind, erschließt sich mir nicht.
In „Lord Of The Logos“ gibt es eine Menge zu entdecken – vieles ist auch weniger spannend, aber das ist generell das Schicksal von Bildbänden. Wem’s zu langweilig wird, der kann immer noch das allseits beliebte „Was zur Hölle soll das heißen?“- oder das ähnliche interessante „Hast du je in deinem Leben von dieser Band gehört?“-Spiel damit spielen. Ob es sich lohnt, den Gestalten-Verlag dafür mit 35 Euro zu sponsoren, möchte ich allerdings bezweifeln.
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