In Deutschland zieht allmählich der Frühling ein (zumindest was die Temperaturen angeht), der Schnee ist weggeschmolzen oder zu einem kleinen, dreckigen Häufchen am Straßenrand geworden. Schade – „Palingenesis“ hätte eindeutig ein, zwei Monate früher kommen sollen, denn die meditative Kraft, die ruhige Schönheit und atmosphärische Dichte, die NEBELUNG darauf erschaffen, wären der perfekte Begleiter bei nächtlichen Herbst- und Winterspaziergängen gewesen.
Ich gebe zu: Mir war dieses Projekt bisher nicht bekannt. Wenn man allerdings nach der beiliegenden Info gehen darf, in der geschrieben steht, NEBELUNG hätten bis vor kurzem einfach strukturierte, auf Gesang basierte Folksongs gespielt, dann bin ich froh darüber, sie erst jetzt kennengelernt zu haben: Wahrscheinlich hätte ich ihre früheren Alben als ’nichts für mich‘ abgestempelt, den Namen NEBELUNG ad acta gelegt und wäre nie in den Genuss von „Palingenesis“ gekommen. Darauf hat sich das Duo (das zumindestest auf den Bandfotos auf ein Trio angewachsen ist) nämlich – scheinbar – gänzlich von ihrer früheren Ausrichtung gelöst. Anstelle von simplen Strukturen kreieren die Bonner vielschichtige Melodien, die tief gehen, die nicht einfach nur auf das schnelle Mitsingen oder -summen aus sind, sondern darauf, den Hörer zu berühren, in sein Inneres einzudringen und dort Gänsehaut auszulösen. Gesang ist auf „Palingenesis“ nur noch sehr wenig zu hören, so ist das Album größtenteils auf Akustikgitarren, ein wenig Percussion und gelegentlichen Streichern aufgebaut – die Instrumente haben es aber auch gar nicht nötig, durch Gesänge, Stimmen oder Lyrik unterstützt oder schlimmstenfalls übertönt zu werden, denn die Ausdrucksstärke, die NEBELUNGs neuem Album anhaftet, verdankt es in erster Linie seiner schlichten, aber vielschichtigen, seiner einfachen, aber emotional tiefschürfenden instrumentalen Seite.
So ist es fast schon schade, dass die musikalische Wanderung durch herbstliche Wälder und über verschneite Wege nach nur einer knappen Stunde schon wieder vorbei ist. „Innerlichkeit“ heißt das letzte Stück auf „Palingenesis“, und genau diesen Status haben NEBELUNG erreicht: Sie haben den Hörer, der sich darauf eingelassen hat, innerlich berührt, sind in sein Inneres vorgedrungen. Ein tolles, melancholisches, emotionales und stimmungsvolles Album – und eine Kaufempfehlung für jeden, der Musik mit dem Bauch hört; zwanghafte Analysten und Leute, für die Folk mit Tralala und Tüdelü zu tun haben muss, sollten sich vielleicht besser fern halten.
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