Crippled Black Phoenix - I, Vigilante

Review

Galerie mit 16 Bildern: Crippled Black Phoenix – Summer Breeze Open Air 2019

Kennt ihr das? Ihr hört den Ausschnitt eines Album zum ersten Mal und denkt „Wow!“? So ging es mir mit „I, Vigilante“, der 2010 erschienenen EP der britischen Band CRIPPLED BLACK PHOENIX (einer Band, die – nebenbei bemerkt – auf diesen Seiten vollkommen unterrepräsentiert ist). Zugegeben, es war zum Teil sicher auch Überraschung, die mir das „Wow!“ entlockte – dazu bedarf es aber des Kontextes meiner ersten Begegnung mit „I, Vigilante“: Ein Freund hatte zu einem Besuch seinen USB-Stick mit einer Menge Musik mitgebracht – der bei Weitem größte Teil davon Sludge, Doom Metal und Black Metal. Kurzerhand packte ich den gesamten Inhalt des Datenträgers in eine Playlist, schaltete den Shuffle-Modus ein und beschäftigte mich mit anderen Dingen, während ich mir auf diese Weise einen Querschnitt der enthaltenen Musik verschaffte…

…und da passierte es: Die ersten Sekunden von „Fantastic Justice“ – diese wundervollen und vielversprechenden Klavier-Arpeggios – entlockten mir spontan ein „Wow!“ Ich war angefixt und musste herausfinden, ob auch der Rest der Veröffentlichung dieser Band, von der ich noch nie zuvor gehört hatte, so großartig ist. Die Antwort – um das vorwegzunehmen – war nicht nur ein „Ja!“, sondern vor allem ein „Es ist kaum zu fassen, aber das Album wächst mit jedem Durchlauf…“

Eingeläutet wird „I, Vigilante“ mit „Troublemaker“, das wiederum mit einem Sample aus „Das Handbuch des jungen Giftmischers“ beginnt und auf diese Weise grob die thematische Ausrichtung des Sechstrackers aufspannt: Die erschreckende Diskrepanz zwischen menschlicher Intelligenz und der Unfähigkeit, moralisch zu handeln (um aus Georg Büchners „Woyzeck“ zu zitieren: „Moral, das ist, wenn man moralisch ist…“) oder aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen – verwoben in das Konzept „Krieg“. Die Tragik dieses Gegensatzes, die unvermeidliche Resignation als Resultat wird in den fast 50 Minuten „I, Vigilante“s (für eine EP ganz ordentlich, oder!?) vor allem auf musikalischer Ebene deutlich. Selten habe ich so viel Trauer, Resignation und Verzweiflung im Gewand weitgehend klassischen Rocks wahrgenommen…

Sei das nun „We Forgotten Who We Are“, das sich wunderbar um ein zentrales Klavier-Motiv entfaltet und sich nach einem kurzen Intermezzo mit todtraurigen Streichern zu einem schweren Postrock-Sturm (ja, das gibt es!) emporschwingt, der danach mit wundervollen Chören und weiteren Streichern ausklingt; sei es das bereits erwähnte „Fantastic Justice“ oder „Bastogne Blues“: Ganz gleich, was uns gewisse Black-Metal-Bands erzählen wollen – Krieg ist nicht „Panzerdivision Marduk“; Krieg bedeutet Verzweiflung, körperliche und mentale Verstümmelung. CRIPPLED BLACK PHOENIX entwerfen durch das Sample am Anfang (US-Infanterist Joseph Robertson, der von der traurigsten Erinnerung seines Lebens – der Ardennen-Offensive – berichtet), das zentrale musikalische Motiv und dessen dramaturgische Steigerung ein Bild eben dieser Verzweiflung, das meines Erachtens in diesem thematischen Kontext seinesgleichen sucht.

Abgeschlossen wird „I, Vigilante“ durch das JOURNEY-Cover „Of A Lifetime“, das den thematischen Bogen weiterspannt, schwermütiger als das Original wirkt und durch die weiblichen Vocals (Daisy Chapman) aufgewertet wird, sowie den Hidden Track „Burning Bridges“, das im Original aus „Stoßtrupp Gold“ stammt und damit den etwas eigentümlichen Humor der Band demonstriert. In meinen Ohren der einzig „unpassende“ Song der EP – weshalb ich allen Interessierten empfehlen würde, sich zunächst auf die ersten fünf Tracks zu beschränken.

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16.09.2015

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