Vindland
Hymnen für die Ewigkeit

Interview

Dass man als Debüt-Album mal eben einen Zehn-Punkte-Kracher veröffentlicht, ist sicher alles andere als alltäglich. Den Bretonen VINDLAND ist dieses Kunststück mit „Hanter Savet“ jedoch scheinbar mühelos gelungen. Daher haben wir uns natürlich auf die Suche nach dieser noch relativ unbekannten Band gemacht und Gitarrist und Songwriter Cami auf den Zahn gefühlt. Und dieser hatte uns so einiges äußerst Interessantes zu erzählen.

Hallo Cami! Gehen wir mit der ersten Frage doch gleich mal in die Vollen: Was fällt dir spontan zu WINDIR bzw.Valfar [Terje „Valfar“Bakken war der Gründer und Bandchef der Norweger WINDIR (1994-2004), nach dessen tragischem Tod die Band aufgelöst wurde] ein?

Das ist in der Tat eine direkte Frage gleich zu Beginn! Vor ungefähr zehn Jahren habe ich wirklich sehr oft WINDIR gehört. Und das war für mich wirklich jedes Mal eine hochemotionale Reise, die mich durch Freude, Hoffnung, Trauer und sämtliche dazwischenliegenden Gefühle geführt hat. Man findet in den Songs von WINDIR immer dieses Gefühl, dass etwas Episches, Ruhmreiches oder Schönes für immer gegangen ist. Daher kommt auch das tragische Element in dieser Musik. Und sie geht über die klassischen Pagan Metal Themen hinaus und widmet sich vielmehr direkt der tragischen Natur des Lebens selber, in positiver und negativer Hinsicht gleichermaßen. Daher kann ich auch nichts allzu konkretes zu WINDIR sagen, denn deren Musik spricht das Unterbewusstsein von jedem einzelnen anders an. Sie vermittelt einem ein zeitloses Gefühl, geht weit über das Epische hinaus und erreicht das innere Selbst. Aus diesen Gründen höre ich auch nicht mehr allzu oft WINDIR, denn das ist für mich oft ganz einfach zu emotional und intensiv, auch nach all den Jahren. Ich spreche da natürlich in erster Linie für mich selber, aber meinen zwei Bandkollegen geht es nicht anders.

Die Frage war natürlich nicht zufällig gewählt. Denn obwohl es einige Bands gibt, die deren Erbe antreten wollten bzw. dies versuchten, seid ihr für mich die legitimen Nachfolger? Absicht, Kalkül oder hat sich das eher einfach so ergeben?

Wie viele andere Musiker auch sind wir unseren eigenen Musik ganz einfach zu stark verbunden, um diese halbwegs objektiv beurteilen bzw. einschätzen zu können. Es ist für uns sehr schwierig zu beurteilen, wie sehr unsere Musik dem Erbe von WINDIR folgt, obwohl uns natürlich schon bewusst ist, dass es definitiv einige Parallelen und Gemeinsamkeiten zwischen VINDLAND und deren Musik gibt. Aber um deine Frage zu beantworten: Wir haben niemals weder bewusst versucht, den Sound von WINDIR irgendwie nachzustellen, noch haben wir behauptet da anzusetzen und weiter zu machen, wo Valfar aufgehört hat. Außerdem denke ich, das die Bands, die aus WINDIRS Asche empor gestiegen sind, also MISTUR, COR SCORPII und vor allem VREID, vielmehr ihren eigenen Weg gehen und weniger dem Pfand folgen, den Valfar beschritten hat. Außerdem scheint es so zu sein, dass generell eigentlich nur recht wenige vom Schaffen diesen großen Künstlers inspiriert worden sind. Das finde ich angesichts seines musikalischen Potentials schon etwas seltsam. Aber genau deswegen ist es schon irgendwie logisch, dass man gerade diese wenigen wie uns umso mehr mit WINDIR vergleicht. Und das, obwohl ich eigentlich der Überzeugung bin, dass unser Sound durchaus eine eigene Identität hat und die Vergleiche mit WINDIR ganz offensichtlich Grenzen haben sollten.

Wir kopieren WINDIRS Musik nicht, sie ist vielmehr ein Teil von uns

Stimmt schon, dennoch muss ich noch etwas in diese Richtung weiterbohren, denn ihr scheint die musikalische Essenz von WINDIR genau studiert zu haben, kopiert deren Sound aber nicht nur, sondern führt diesen irgendwie weiter. Wie zur Hölle schafft man das?

Ich denke, dass WINDIRS Musik und unsere bis zu einem gewissen Grad dieselbe musikalische Intention teilen. Damit meine ich vor allem die Ansammlung von Gründen, die einen dazu veranlassen, selber Musik zu schreiben. Doch der eigentliche Songwriting-Prozess findet zu großen Teilen im Unterbewusstsein statt und ist deswegen für mich ein echtes Mysterium. Wenn ich komponiere, dann fließen nicht nur Inspirationen von außen mit ein, sondern natürlich auch viele persönliche Dinge wie z.B. der eigene Lebensweg. Deswegen habe ich auch nie die „musikalische Essenz“ von WINDIR studiert und ich denke auch nicht, dass es die überhaupt gibt. Tatsächlich glaube ich, dass die Musik von WINDIR neben vielen anderen Bands und Lebensereignissen einen so tiefen Eindruck bei mir hinterlassen hat, dass sie schließlich ein Teil von mir und damit auch von VINDLAND geworden ist. Wenn ich heutzutage komponiere, dann versuche ich mich so wenig wie möglich von außen beeinflussen zu lassen. Daher vermeide ich es auch Musik zu hören, die mich direkt am Herzen packt. Ich versuche dann eher völlig andere Musik wie z.B. Klassik zu hören, um auf diese Weise mehr kreativen Freiraum zu schaffen. Dafür können auch andere Formen von Kunst oder natürlich die Natur selber sehr hilfreich sein.

Ich will dich auch mit den ganzen Fragen und Vergleichen zu WINDIR nicht nerven, wirklich nicht. Aber wenn man so klingt wie ihr, dann kommt man natürlich nur schwer um dieses Thema drumherum.

Kein Problem, ich verstehe absolut, dass sich diese Fragen förmlich aufdrängen.

Eben. Aber trotzdem, um das Thema dann auch mal abzuschließen: Kann es auch ein Belastung sein, von nun an wohl ständig mit diesen schier übermächtigen Vorbildern verglichen zu werden?

Obwohl wir scheinbar viele Leute an WINDIR erinnern, hat „Hanter Savet“ meiner Meinung nach durchaus genug eigenständiges Material zu bieten. Außerdem denke ich, dass viele dazu neigen unseren Sound mit ihrem zu vergleichen, weil es momentan nur ein paar Bands gibt, die diesen Weg gehen. Aber das sagte ich ja bereits. Ein Beispiel dazu: Es gibt sehr viele Bands, die sehr stark von EMPEROR beeinflusst worden sind. Trotzdem werden nicht ständig die Vergleiche zu EMPEROR herangezogen, wenn man über diese Bands spricht. Ich bin auf alle Fälle der festen Überzeugung, dass WINDIRS Musik und Erbe so reichhaltig sind, dass man sehr wohl davon inspiriert werden kann, ohne blind zu kopieren oder einfach nur nachzuspielen. Ob uns das gelungen ist, kann ich natürlich nicht beurteilen.

Das kann man ganz klar bejahen, denn ihr seid weit davon entfernt, eine bloße Kopie zu sein. Ich halte es vielmehr für die perfekte Weiterführung dieses äußerst originellen Sounds. Anderes Thema: Erzähle uns doch bitte etwas über die bisherige Geschichte von VINDLAND.

Wir drei haben uns bereits auf dem Gymnasium kennengelernt und entdeckten gemeinsam Metal und im besonderen Black Metal. Wenn ich so zurück schaue, dann waren wir wohl schon damals Brüder im Geiste, sowohl in Bezug auf die Bewältigung des Alltags als auch was unsere künstlerischen Ideale angeht. Und gerade die Begeisterung für die Musik war bei mir etwas, dass wohl schon immer tief in mir lag und einfach entdeckt werden musste. Damals war es auch noch viel mehr als heute eine Art Lebenseinstellung, wenn man Black Metal hörte oder gar selber spielte. Und wir gingen schnell voll in dieser Musik auf. Black Metal hören und selber spielen, dazu exzessiv trinken, das waren meist unsere einzigen Wochenend-Beschäftigungen. Ich vermute, dass unsere soziale, kulturelle und natürliche Umgebung ebenfalls sehr starken Einfluss auf die Entwicklung hatten.

Als Band begannen wir zunächst damit, DIMMU BORGIR, MAYHEM usw. zu covern. Aber es dauerte nicht lange da schrieben wir schon unsere ersten eigenen Songs. Dies führte dann Schritt für Schritt zu unserem ersten Demo 2007 und zwei Jahre darauf zur Veröffentlichung der EP „Ancestors‘Age“. In dieser Zeit haben wir auch einige Gigs in Frankreich gespielt.

Danach haben wir schon weitere Songs geschrieben, welche allerdings bis heute nicht aufgenommen wurden, da wir uns damals aus diversen Gründen zu einer längeren Pause entschlossen hatten. Doch nach zwei oder drei Jahren war der Entschluss in uns gereift, VINDLAND wieder an den Start zu bringen und wir begannen damit, neues Material zu schreiben. Dies führte schließlich zur Veröffentlichung von „Hanter Savet“. Das Album veröffentlichten wir zunächst im März 2016 in Eigenregie. Doch nachdem es dann sehr rasch ausverkauft war, wurde es von Black Lion Records im April wieder veröffentlicht.

Wovon handeln eure Texte?

Für uns war es von Anfang an selbstverständlich, dass wir unsere Texte in Bretonisch verfassen würden. In Englisch zu schreiben war hingegen nie eine Option, denn diese Sprache verkörpert für uns eine gewisse Standardisierung. Und gerade dafür stehen VINDLAND absolut nicht. Außerdem passt es ebenso wenig wie das Französische zur episch-mystischen und meditativen Ausrichtung unserer Musik. Unsere Inspiration für die Texte beziehen wir hauptsächlich aus der Reflexion, wie unsere Vorfahren mit ihrer Umwelt in Einklang lebten. Das ganze verpacken wir dann in einen mystisch-historischen Kontext. Doch der Grat ist natürlich schmal zwischen dem, was wir an der Spiritualität der alten Zeiten glauben wert zuschätzen und der aktuellen Betrachtung unserer eigenen Ideale.

Welche Live-Erfahrungen durftet ihr bisher sammeln?

Man kann wirklich nicht behaupten, dass wir oft live auftreten, denn mittlerweile ist der letzte Gig schon mindestens sechs Jahre her. Doch nun wollen wir so schnell wie möglich auf die Bühne zurückkehren und arbeiten momentan bereits an unserem Live-Set.

„Hanter Savet“ ist unser musikalischer Tribut an die Bretagne

Sind für ausgedehntere Aktivitäten vielleicht zwei Fakten eher hinderlich? Zum einen stehen ja französische Bands eher weniger im Fokus, es sei denn sie spielen Black Metal. Und zum anderen wohnt ihr ja eigentlich schon sprichwörtlich am Arsch der Welt, da wird es konzerttechnisch sicher eher schwierig sein, oder?

Obwohl wir ja alle in der Kleinstadt Paimpol aufgewachsen sind, wohnen wir nun in Nantes, der historischen Hauptstadt der Bretagne. Ich glaube auch nicht, dass eine Band wie unsere großartig davon profitieren würde, in einer großen Stadt beheimatet zu sein. Wir sind auch alles andere als „Netzwerk-Menschen“. Und ich persönlich könnte auch niemals im Höllenloch Paris leben, auch wenn es dort eine sehr dynamische Black-Metal-Szene gibt. Ich denke vielmehr, dass es für die Musik von VINDLAND eher von Vorteil ist, dass wir relativ weit entfernt von den großen Städten wohnen. Für unsere Gesundheit ist das auf alle Fälle viel besser.

Ich kenne auch ehrlich gesagt die französische Metal-Szene nicht allzu gut, mit Ausnahme unserer Freunde von BELENOR und LES CHANTS DE NIHIL natürlich. Das was als „Französischer Black Metal“ bekannt geworden ist bzw. so bezeichnet wird, hat natürlich schon ein paar interessante Bands hervorgebracht. Aber natürlich gibt es da auch genug andere, die im Prinzip nur von der Popularität dieses Stils profitieren wollen. Ganz ähnlich ist das ja z.B. auch im Folk Metal. Aber es stimmt natürlich schon, dass französische Band bis auf wenige Ausnahmen wie GOJIRA eher national als international bekannt sind.

Wie inspiriert euch eure Heimat bei eurem Schaffen?

„Hanter Savet“ würdigt absolut die Geschichte und die Natur unserer Heimat. Daher benutzen wir auch die bretonische Sprache und verarbeiten historische Themen aus unserer Region. Aber über allem steht natürlich die Musik selber als größter Tribut an die Bretagne. Damit drücken wir letztendlich aus, welchen großen Einfluss die Kultur und die Natur unserer Heimat auf uns als Persönlichkeiten haben. Das meine ich in Bezug auf Gefühle wie Melancholie, Nostalgie oder Depression. Doch trotz allem versuchen wir immer weiter etwas Neues und Größeres zu erreichen.

Wie wurde euer Debüt bis jetzt aufgenommen, sowohl in Frankreich als auch international?

Wenn man bedenkt, dass wir ja ziemlich unbekannt sind, können wir mit den bisherigen Reaktionen voll zufrieden sein, sowohl von den Fans als auch von der Presse. In vielen Reviews wurden vor allem Qualität und Eingängigkeit der Melodien gelobt. Das freut uns natürlich, denn genau das ist die wahre Essenz von „Hanter Savet“. Das Interesse an der Scheibe hier in Frankreich ist aber schon recht schwach, vor allem im Vergleich zu anderen Ländern wie Deutschland, Ungarn oder den USA. Soweit ich weiß haben wir bis jetzt in Nordamerika die meisten Klicks und Albumverkäufe. Und ich habe keine Ahnung, warum das so ist.

Zum Abschluss natürlich noch die Frage: Wie geht’s weiter bei VINDLAND? Mit so einer Scheibe im Gepäck müsstet ihr ja nun eigentlich voll durchstarten.

Wie ich vorhin schon erwähnte ist es momentan unser oberstes Ziel live zu spielen. Daneben hat natürlich die Arbeit an neuem Material absolute Priorität. Wir wollen versuchen, auf unserem musikalischem Weg immer weiter voranzukommen, ohne uns dabei selber zu wiederholen. Das ist aber natürlich oft leichter gesagt als getan.

Wie auch immer, ich möchte mich auf alle Fälle bei euch für das Interview und die interessanten Fragen bedanken.

Und wir bedanken uns gerne bei Cami für die aufschlussreichen Antworten und natürlich bei VINDLAND für dieses Hammer-Album! Hoffentlich dürfen wir die Jungs damit ganz bald auf deutschen Bühnen bewundern.

16.09.2016

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