Nortt
Nortt
Interview
Zum Erscheinen des neuen NORTT-Opus "Galgenfrist" gab es einige Fragen an den dänischen Ausnahmekünstler. Man fragt sich, wie die Ansichten eines Menschen sind, der dunkelste und lebensverneinde Musik kreiert. Um Musik, Leidenschaften und den Tod geht es im nachfolgenden Interview.
Hails und danke, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst.
Bevor ich dazu übergehen werde, über die Essenz NORTTs und dem neuen Album „Galgenfrist“ zu sprechen, erzähle mir doch bitte zuerst, wie NORTT auf diese Welt kam und was deine Vision dahinter ist?
Die Biographie von NORTT ist ziemlich simpel. Es begann vor ungefähr 12 Jahren in einer Herbstnacht, als die ersten Noten gespielt und die ersten Zeilen geschrieben wurden. Die Vision war lediglich dunkle Kunst zu erschaffen.
Deine Wurzeln sind definitiv im Black Metal. Wieso hast du dich dafür entschieden, Black Funeral Doom zu kreieren?
Zunächst war die Idee Black Metal in einer langsamen Gangart zu spielen. Aber ich wollte auch die getragene Atmosphäre des Doom Metals hineinbringen, also war der Black/Doom-Sound ziemlich naheliegend.
Welche Bands haben dich am meisten beeinflusst, als du ein Teil der Black Metal-„Szene“ wurdest, egal ob als Zuhörer oder Musiker.
Ich werde nur BURZUM, AGHAST und THERGOTHON erwähnen, da diese Bands den direkten musikalischen Grundstein für NORTT gelegt haben. Es würde ewig dauern, und es wäre auch zwecklos, all die verschiedenen Bands, die mich über die Jahre beeinflusst und inspiriert haben, zu erwähnen.
NORTT existiert seit 1995 und ich gehe mal davon aus, dass du schon mehrere Jahre davor Musiker warst. Wie siehst du die heutige Black Metal- oder Metal-Szene allgemein im Vergleich zu damals? Bist du daran noch irgendwie interessiert oder aktiv?
Der Hauptunterschied ist natürlich der Einfluss durch das Internet. Davor hast du dir entweder deine Musik in einem Plattenladen gekauft oder über mit Schreibmaschine geschriebenen Underground-Katalogen bestellt. Du warst gezwungen, Old-School-Briefe auszutauschen und mit Kassetten zu handeln, um neue Musik kennenzulernen. Sicherlich vermisse ich nicht diese Zeit, denn es war extrem zeitaufwendig. Ich bin auch nicht wirklich in der heutigen Szene involviert. Mich interessiert es nicht mehr. Obwohl, davon abgesehen, dass ich nicht gerade enthusiastisch die Szene erforsche, schaffe ich es doch auf qualitative Musik zu stoßen. Es scheint, als ob die Musik mich findet und nicht andersherum – sehr praktisch.
Dänemark hat auch andere großartige Bands aus dem Black/Funeral Doom-Genre vorzuweisen, zum Beispiel SOL, MØRKHEIM oder MAKE A CHANGE…KILL YOURSELF, aber es scheint, als ob die dänischen Bands zwar stetig arbeiten, aber für gewöhnlich leider nicht dieselbe Aufmerksamkeit wie andere skandinavische Bands bekommen. Wie siehst du die dänische Metal-Szene?
Mein Wissen über die dänische Szene ist ziemlich spärlich, weil ich mich nicht darum kümmere. Der Mangel an Aufmerksamkeit im Gegensatz zu den anderen skandinavischen Ländern könnte sein, dass sie bessere Bands haben oder vielleicht bei eher etablierten Labels gesignt sind, die sich die dazugehörige Promotion leisten können.
Du warst als Session-Gitarrist bei APOLLYON von 1997-1998 tätig und bist jetzt ein permanenter Teil am Bass, wenn ich mich recht erinnere. Bist oder warst du noch in anderen Projekten aktiv und wenn ja, in welchen bist oder warst du involviert?
Ich habe mit einigen relativ unseriösen Bands vor NORTT geprobt, aber ich war nicht an anderen Aufnahmen beteiligt. Ich bin APOLLYON 1997 beigetreten, wie du erwähnt hast, aber es bleibt der einzige Act neben NORTT.
War es eine natürliche Entscheidung, dein eigenes Projekt zu gebären, ohne elendige Diskussionen mit anderen Bandmitgliedern über das Konzept von „NORTT“?
Es war durchaus eine sehr natürliche Entscheidung. Ich habe nie daran gedacht, ein Line-Up zu haben. Nicht damals und nicht jetzt.
1997 hast du damit begonnen die Menschheit mit deiner Sicht des Todes, des Untergangs und des Verfalls auf dem Demo „Nattetale“ zu infizieren. Die meisten deiner Veröffentlichungen sind in limitierter Anzahl erschienen. Warum? War es ein Mangel an finanziellen Mitteln, um mehr Einheiten zu produzieren oder wolltest du auch ein wenig den Kult um NORTT ankurbeln?
Ich würde nicht zustimmen, dass all mein Material limitiert war – nur bestimmte Auflagen. Die Menge wurde immer von dem Label bestimmt. Ich wollte nie absichtlich einen Kult um NORTT erschaffen. Ich dachte immer: je mehr, desto besser.
Musiker spielen normalerweise ihre Musik nicht nur für sich, sondern auch für das Publikum. Genauso verhält es sich mit der Aufnahme und der Veröffentlichung von Alben. Im Falle von NORTT hast du dich dazu geäußert, dass deine Musik live nicht funktionieren würde, dem ich auch zustimmen kann, und du dementsprechend nicht mit NORTT live auftreten wirst. Wie ist deine Meinung zu der Limitierung von Veröffentlichungen oder dem Livespielen in der Black Metal-Szene, das heutzutage noch genauso angesagt zu sein scheint, wie in den alten Zeiten?
Eine reguläre Veröffentlichung zu limitieren ist nutzlos (Collector Editions ausgenommen) und es ist für gewöhnlich eine Entscheidung, die aus kommerziellen Gründen von dem Label gemacht wird oder einfach nur aus dem Grund, dass die öffentliche Nachfrage nicht größer ist. Zu behaupten, dass es möglich ist, ein spezielles Publikum mit limitierten Auflagen auszulassen ist idealistisch und naiv. Lasst jeden, der Musik begehrt, diese haben. Das unwürdige Publikum ist nur ein unglücklicher Nebeneffekt. Ich habe überhaupt nichts gegen Black Metal-Konzerte, aber ich mich dafür entschieden, an keinen teilzunehmen.
Ich nehme mal an, dass der Aufnahmeprozess eines NORTT-Albums ein wenig anders abläuft im Vergleich zu „normaler“ Unterhaltungsmusik. Ist es mehr wie ein Ritual oder wie kann ich mir diesen Aufnahmeprozess von NORTTs Kreationen vorstellen?
Ein Teil des Aufnahmeprozesses ist schon auf eine Art ritualistisch. Natürlich kümmere ich mich um den Soundprozess und andere notwendige Prozeduren, ohne es zu einem Riesenevent zu machen, aber das derzeitige Aufnehmen findet nur nach der Einbruch der Nacht statt, wenn mein Hören geschärft und die Atmosphäre passend ist. Es macht es einfacher, zu fühlen, ob der musikalische Effekt präsent ist oder nicht.
Alle Texte sind in Dänisch. Soweit ich mit meinem geringen Dänisch komme, sind sie kompakt und direkt gehalten – ohne großartige Umwege und die genau die Bilder ausdrücken, die in dem Kopf des Zuhörers entstehen. Woher nimmst du dir diese Inspirationen? Wenn du dich von Filmen, Dokumentationen oder anderen Künstlern in Musik oder Kunst inspirieren lässt, könntest du ein paar nennen?
Es ist extrem schwierig eine besondere, inspirierende Quelle meiner Texte zu nennen, da es von allem, was ich lese, jedem Film, den ich anschaue oder durch jeden relevanten Gedanken, den ich habe, kommt.
Deine Texte handeln hauptsächlich vom Tod und der Dunkelheit aus der Sicht der Sterbenden und Verstorbenen. Du hast selbst einmal gesagt, dass du den Tod begehrst und dich nach dem Tag sehnst, wo du selbst das Grab betreten wirst. Wie stellst du dir deinen Tod vor?
Das Zitat, dass du verwendest, ist von einem anderen Interview und aus dem Kontext gegriffen. Wie auch immer, gewiss sehne ich mich nach dem Tod und sehe dem positiv entgegen. Aber ich muss betonen, dass ich andere Leidenschaften hege, die aus offensichtlichen Gründen höhere Priorität haben. Ich stelle mir meinen Tod als die Krone meines Lebens vor. Wenn ich alles erreicht habe, was ich mir gewünscht habe und wenn ich mental vorbereitet bin, werde ich in meiner Blütezeit sterben. Nichts dramatisches. Ich würde wohl am liebsten Gift zu mir nehmen.
Du scheinst ein sehr genaues Bild vom Tod zu haben. Hattest du irgendwelche Nahtod-Erfahrungen, die einen tiefen Einfluss auf dich hatten oder bist du nur an diesem Thema in einer geistlichen oder wissenschaftlichen Art und Weise interessiert?
Ich hatte nie irgendwelche Nahtod-Erfahrungen, aber ich habe mit dem Tod auf wissenschaftliche sowie auch spirituelle Art und Weise gearbeitet. Der Tod ist einer der wenigen, essenziellen Voraussetzungen, die unumstößlich sind, aber noch weiß kein Lebender, was es eigentlich mit sich bringt, da kein Mensch jemals gelebt hat, der davon berichten konnte und das macht es extrem interessant und verlockend.
„Galgenfrist“ ist das neue Opus, das seinen Weg gefunden hat und aus NORTTs kreativem Grab auferstanden ist. Könntest du mir bitte ein wenig mehr zu dem Zusammenhang des deutschen Titels und den Texten sowie den musikalischen Kompositionen sagen?
„Galgenfrist“ ist auch eine dänische Wortkomposition der alten pan-germanischen Worte „Galgen“ und „frist“. Ich lehne es an die landessprachliche Tradition an. Der Titel verkapselt das Thema und die Storyline des Albums. „Galgenfrist“ kann ein wenig mit der „Zeit vor dem Tod“ interpretiert werden. Es ist die Zeit zwischen der Verurteilung zum Tod und der eigentlichen Hinrichtung. Es kann auch als die Zeit während der Geburt – oder dem Punkt, an dem du die Gewissheit deines eigenen Todes anerkennst – und dem eigentlichen Entleben interpretiert werden. Wenn wir zum Leben verurteilt werden, sind wir sofort dem Tode geweiht. Wir wandeln durch das Leben mit dieser besonderen Kenntnis – wir tragen unser Kreuz, oder in diesem Zusammenhang, unseren Galgen. Ein faszinierender Gedanke.
Wenn ich mir die vorherigen Alben, „Graven“ oder „Ligfaerd“ zum Beispiel, anhöre, sehe ich einen mehr erkennbaren Ablauf von Rhythmus und Melodie. „Galgenfrist“ klingt mehr nach einer Komposition aus Negativität und Lebensverneinung – einer dunklen Geräuschkulisse, wenn du magst. Für mich hat „Galgenfrist“ mehr Ambient-Wellen und versprüht fast eine „Drone“-Atmosphäre. Wie würdest du die Essenz von „Galgenfrist“ beschreiben und was ist der Hauptunterschied zu den vorherigen Alben?
Die Essenz ist verdunkelte Musik. Das Album besitzt kein direktes Metal-Gefühl und es besitzt auch kein Ambient-Feeling; es ist irgendwo dazwischen. Es war eine natürliche Entwicklung, da ich kein weiteres “Ligfærd” machen wollte. Ich wollte über das letztere hinausgehen und eine dunkle Reise kreieren – ein Metal/Ambient-Album, dass fähig ist die Aufmerksamkeit des Zuhörers aufrechtzuerhalten.
Hört sich ironisch an, aber was sind deine Zukunftspläne mit NORTT?
Derzeit habe ich die Aufnahme für ein weiteres Album veranlasst und sammele Inspirationen dafür, dass voraussichtlich in zwei oder drei Jahren erscheinen wird. Dasselbe wie immer.
Die berühmten letzten Worte, wenn du möchtest…
Vielen Dank für das Interview.
Vielen Dank.